Der Star des niederdeutschen Theaters starb am Morgen des 15. Juni im Alter von 95 Jahren in ihrem Seniorenappartement in Othmarschen.
Hamburg. Ich habe einen großen Wunsch", sagte Heidi Kabel einmal, "ich möchte unbedingt 90 Jahre alt werden und mit meinen Freunden anstoßen." Dieser Wunsch wurde ihr erfüllt – 95 Jahre wurde die Volksschauspielerin alt.
An diesem 15. Juni trauert ganz Hamburg um Heidi. Sie starb an diesem Morgen in der Ernst-und-Claere-Jung-Stiftung in Othmarschen. Zeit ihres Lebens war die Hamburgerin bekannt für ihre zahlreichen Theater- und Fernsehauftritte. Ihre Fans schätzten die lebensfrohe und gutmütige Frau. Eine Wertschätzung, die sich unter anderem in der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und der Bennenung einer Dahlienart nach dem Ohnsorg-Star widerspiegelte. In den vergangenen Jahren litt sie vermehrt unter Altersdemenz, vergaß viel und wirkte oft verwirrt. In ihrem Zimmer im Seniorenheim blickte sie auf die Bäume der Emkendorfstraße und fand die nötige Ruhe. Hier richtete sie sich vor sechs Jahren, mitsamt ihrem rosa Sofa, für ihren Lebensabend ein und konnte auf ein bewegtes Leben zurückblicken.
27. August 1914 : Heidi Bertha Kabel wird geboren. Als Tochter von Ernst Kabel, Buchdrucker mit eigener Druckerei, und Agnes Kabel, erblickt sie das Licht der Welt in einem geschichtsträchtigen Monat: nach 43 Jahren Frieden, beginnt der erste Weltkrieg.
1924 - 1929: Mit gerade einmal 10 Jahren hat Heidi bereits frostige Kriegswinter, die Abdankung des Kaisers und den Beginn der Weimarer Republik erlebt. Einer kurzen Zeit der politischen und wirtschaftlichen Stabilität folgt jedoch bald die große Finanzkrise. Kindheitserlebnisse, die Heidi Kabel Zeit ihres Lebens prägen.
1932: Die Liebe Schauspiel entdeckt Heidi bereits mit 18 Jahren. Eine Freundin zum Vorsprechen an der Niederdeutschen Bühne begeleitend, hilft sie im späteren Ohnsorg-Theater als Souffleuse aus und stellt fest: "Theater ist eigentlich etwas Wunderbares." Vom Theater-Virus infiziert, nimmt Heidi selbst Schauspielunterricht.
1937 - 1939: Nicht nur der Grundstein für ihre Schauspielleidenschaft wird am Ohnsorg-Theater gelegt. Auch ihren langjährigen Lebenspartner, Hans Mahler, lernt Heidi hier kennen und heiratet ihn am 17. April 1937. Knapp ein Jahr später wird das erste Kind, Jan-Rasmus Mahler geboren, und 1942 und 1944, während des Zweiten Weltkrieges, folgen Sohn Heiko und Tochter Heidi.
1945: Der Frieden kommt am 3. Mai 1945 nach Hamburg. Um ihre Familie vor großem Hunger zu bewahren, tingelt Heidi durch Schleswig-Holstein und Niedersachsen und bietet ein breites Programm aus Operetten, plattdeutschen und Hamburger Geschichten und wird mit Naturalien entlohnt.
1954: Die erste Fernsehübertragung in Deutschland vergrößert Heidi Kabels Popularität mit einem Schlag über die Grenzen Hamburgs hinaus. Die Darbietungen der Volksschauspielerin im Ohnsorg-Theater werden national berühmt, der hanseatischen Tradition folgend, lehnt sie das Bundesverdienstkreuz jedoch ab.
1966 - 1992: Die folgenden Jahrzehnte sind geprägt von zahlreichen Theatererfolgen wie „Tratsch im Treppenhaus“, „Der Lorbeerkranz“ und „Meine Heimat ist der Norden“. Populär wird Heidi auch durch TV-Rollen in „Rummelplatzgeschichten“, „Der Sonne entgegen“ und „Tante Tilly“.
1992 - 2002: Nachdem Heidi Kabel am Ohnsorg-Theater pausiert und ihre Memoiren „Wo sind nur die Jahre geblieben? Stationen meines Lebens“ veröffentlicht hat, kehrt sie 1992 mit „Manda Voss ward 106“ auf die Bühne ihres Stammtheaters zurück. Es folgen 1997 Auftritte mit Harald Juhnke in der Hamburger Musikhalle und 1998 das Ende ihrer Theaterkarriere mit „Mein ehrlicher Tag“ im Hamburger CCH. Doch Heidi Kabel setzt sich nicht vollends zur Ruhe: 2002 unterstützt sie die SPD im Bundeswahlkampf.
2003 - 2007: Mehr als 40 Jahre lang hat die Volksschauspielerin in ihrem Haus in Nienstedten gelebt. Die Altersdemenz zwingt sie 2003 zum Umzug in ein Appartement der Seniorenresidenz „Ernst und Claere Jung Stiftung“ in Othmarschen. Doch die Schauspielerei lässt Heidi keine Ruhe: 2007 übernimmt sie ihre letzte Rolle in Detlev Bucks Kinderfilm „Hände weg von Mississippi“.
15. Juni 2010: Heidi Kabel schläft friedlich ein - in ihrem Seniorenappartement in Othmarschen.