Der türkischstämmige Autor erklärt, was in muslimischen Familien und Koranschulen schiefläuft. Die Imame müssen in Deutschland ausgebildet werden
"Dort, wo eine Mutter hinschlägt, wachsen Rosen", besagt ein von Türken gerne halb im Scherz zitiertes Sprichwort. In der Praxis sind es aber wohl eher die Väter, die für ein gewalttätiges Klima in muslimischen Familien sorgen. Verbieten und schlagen, damit meinen sie, ihren Beitrag zur Erziehung geleistet zu haben. Was darüber hinausgeht, überlassen sie gerne den Lehrern. So erleben muslimische Jugendliche zu Hause alltägliche Gewalt und Sprachlosigkeit, dazu kommt oft ein Scheitern in der Schule, Langeweile, das Gefühl der Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit - dann fehlt of nur ein Funke, der den Anlass zum Zuschlagen auch außerhalb der eigenen vier Wände liefert. Und diesen Funken liefern Imame und islamistische Prediger bereitwillig.
Ich selbst durfte als Jugendlicher hören, was in türkischen Koranschulen in Hamburg gepredigt wird: "Die Deutschen essen Schweinefleisch und werden dadurch selbst zu Schweinen. Sie sind alle dreckig. Ein guter Muslim hält sich von ihnen fern." Das war zwar in den Achtzigerjahren, aber seitdem hat sich leider an den Ansichten der Prediger nicht viel verändert. Dazu vermitteln die Imame ein steinzeitliches männliches Rollenbild. Als Mann und Chef im Haus darf man durchaus einmal zuschlagen, wenn einem die Argumente ausgehen. Getreu dem Motto "Gewalt ist keine Lösung, wenn man nur darüber redet".
Was dagegen hilft? Zunächst muss man die Eltern in die Pflicht nehmen. Schläge aus den Familien zu verbannen ist ein langwieriger Prozess - wie "normal" körperliche Züchtigungen auch unter Christenmenschen noch vor wenigen Jahren waren, durften wir erst kürzlich von Bischof Mixa lernen. Gegen Macho-Allüren und ein Gewalt rechtfertigendes Islambild müssen Staat und Gesellschaft aber etwas unternehmen. Der Schlüssel dazu ist Bildung. Damit ist zweierlei gemeint: Erstens muss das Bildungssystem Kindern aus Migrantenfamilien mehr Chancen auf gute Schulabschlüsse geben. Zweitens brauchen muslimische Jugendliche Islamunterricht in ihren Schulen, in dem sie ein anderes Bild von ihrer Religion vermittelt bekommen als in der Moschee.
Wie wäre es, wenn eine Islamlehrerin - ob mit oder ohne Kopftuch - mit muslimischen Jugendlichen über ihre Religion diskutiert, statt nur zu dozieren wie der Imam? Wenn sie mit den jungen Leuten selbst den Koran interpretiert und die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten aufzeigt, statt eine Doktrin zu vertreten? Wie wäre es, wenn ein muslimischer Lehrer aufzeigt, welche Tradition der Toleranz es in muslimischen Gesellschaften gab und gibt, statt nur einen einzigen Weg zu predigen? Solche Lehrer könnten Vorbilder sein für junge Männer - aber auch für die jungen muslimischen Frauen, die zwar die deutsche Gesellschaft nicht mit Gewalttaten irritieren, aber teilweise ähnliche Identitätsprobleme haben wie ihre Brüder. Sie könnten vorleben, dass es möglich ist, ein guter Muslim und ein Teil der deutschen Gesellschaft zu sein.
Darüber hinaus sollte das deutsche Ausbildungssystem auch den Moscheen Alternativen zu den "Importimamen" anbieten, die sie zurzeit beschäftigen. Diese Imame aus den Heimatländern der Moscheebetreiber kennen Deutschland und die Probleme der hier lebenden Muslime zumeist überhaupt nicht, sprechen kaum Deutsch und vertreten einen streng konservativen Islam.
Was wir brauchen, sind neue Islamlehrer an den Schulen und neue Imame an den Moscheen. Die Innenminister müssen endlich die falsche Scheu vor den konservativen Vertretern der muslimischen Verbände ablegen, die gerne bestimmen wollen, wer Imame ausbilden darf und was sie lehren sollen. Diese Verbände sprechen gerne für alle Muslime in Deutschland, vertreten aber in Wahrheit nur einen Bruchteil. Ihnen geht es vor allem um die Sicherung ihres eigenen Einflusses auf künftige Lehrerinnen und Lehrer und damit um die Verbreitung dessen, was sie jeweils für den "wahren Islam" halten.
Deutsche Politiker dürfen sich aber weder von ihnen instrumentalisieren lassen noch meinen, sie müssten nun selbst definieren, was der "wahre Islam" ist, denn diesen gibt es schlicht nicht. Die Innenminister müssen vielmehr selbstbewusst im Interesse der jungen Muslime handeln, indem sie Lehrstühle für die Ausbildung von Islamlehrern und Imamen einrichten und diese mit frommen Islamwissenschaftlern besetzen. Mit Musliminnen und Muslimen, die in Deutschland aufgewachsen und ausgebildet sind, die einen weltoffenen, diskussionsfreudigen, friedfertigen Islam verkörpern und lehren.