Der Miteigner der Deutschen Afrika-Linien, Eberhart von Rantzau, prangert Neubauboom der vergangenen Jahre an. Erholung bis 2012 erwartet.
Hamburg. Hunderte von Schiffen stehen hier, Tanker, Massengut- oder Containerfrachter. Am Dienstagabend versammelt sich die maritime Wirtschaft im noblen Hafen-Klub an den St. Pauli Landungsbrücken zum Mitgliedertreffen. Dabei ist unter anderem eine Reihe von Reedern und Schifffahrtsmanagern wie Hermann Ebel von Hansa Treuhand oder Ottmar Gast, Chef der Reederei Hamburg Süd. Die Herren in den dunklen Anzügen repräsentieren eine ansehnliche Flotte.
Die Gespräche vor der Gastrede wirken entspannt. In der Schifffahrts- und Hafenbranche macht sich Erleichterung darüber breit, dass die schwere Wirtschaftskrise ausgestanden scheint.
Eberhart von Rantzau allerdings will keine Jubelrede halten. Der Miteigner und Co-Chef der familieneigenen Reedereigruppe Deutsche Afrika-Linien / John T. Essberger geht mit der Branche vielmehr hart ins Gericht. "Der ungezügelte Neubauboom der letzten Jahre hat die Schifffahrtsmärkte unnatürlich aufgebläht. Die Bestellung von immer neuer Tonnage ist selbst unter dem Aspekt der positivsten Wirtschaftsvoraussagen nicht zu begründen gewesen", sagt Rantzau über die immense Zahl von Schiffsbestellungen allein der deutschen Reeder. "Den Reedern und in ihrem Gefolge einer zunehmenden Zahl von Finanzierungsgesellschaften - darunter manchem Glücksritter - wurden die Bestellungen leicht gemacht."
Die Doppelreederei der Rantzaus betreibt 34 Schiffe und machte mit rund 1300 Mitarbeitern 2009 gut 300 Millionen Euro Umsatz. Damit zählt sie in Hamburg zu den kleineren Schifffahrtsunternehmen. Doch in seinen Fahrtgebieten - der Containerschifffahrt von Europa ins südliche Afrika und in der Tanker- und Massengutfahrt auf Nordsee, Ostsee und Mittelmeer - ist das Unternehmen ein Schwergewicht.
Im vergangenen Jahr musste seine Reederei einen Verlust hinnehmen, berichtet Rantzau. Das Unternehmen sei jedoch glimpflich davongekommen, vor allem deshalb, weil man seit vielen Jahren einen vorsichtigen Wachstumskurs steuere. In den 70er-Jahren habe das Unternehmen "übermäßig in den Bau von Großtankern" investiert und sei damit direkt in die erste große Ölkrise gefahren. "Unsere Neubauten kamen überhaupt nicht mehr in Fahrt", sagt Rantzau. "Sie lagen in der Geltinger Bucht vor Anker - und mussten später zum Schrottpreis abgestoßen werden. Das ist eine Lektion, die man als Reeder nur einmal im Leben erfahren möchte."
Die jüngste Wirtschaftskrise allerdings scheint für die meisten Schifffahrtsunternehmen überwunden, auch Rantzau nennt positive Zahlen: Die Frachtrate - der Transportpreis - für einen Container auf der Route von Asien nach Europa sei von 300 Dollar Anfang 2009 auf 1700 Dollar gestiegen, eine weitere Erhöhung großer Linienreedereien sei angekündigt. Auch die Charterraten - die Mietpreise für Schiffe -, die zwischen 2008 und 2009 teils auf ein Zehntel der Höhe gefallen waren, zögen deutlich an. Bis zum Jahr 2012 könnten sich das Angebot an Schiffsraum und das Frachtaufkommen wieder die Waage halten, sagt Rantzau. Er sehe derzeit eher einen "Umbruch" als eine "Katastrophe" für die Branche: "Insgesamt kann die Schifffahrt am Ende gestärkt aus der Krise hervorgehen." Wenn sie denn ihre Lektion gelernt hat.