Köhlers kläglicher Rücktritt kann Merkels Ära beenden.
Er hat seinem Amt geschadet, er hat der schwarz-gelben Regierung geschadet und er hat sich selbst geschadet. Mit seinem kläglichen Rücktritt stellt sich der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler in eine Reihe mit Heinrich Lübke. Beide sind vorzeitig ausgeschieden, beide haben ihr Amt nicht ausgefüllt.
Hand in Hand mit seiner Frau und emotional aufgewühlt, irgendwo zwischen wütend und beleidigt, schritt Köhler gestern ans Rednerpult und beklagte sich über die Kritik, die ihm nach seiner undiplomatischen Äußerung zu den Zielen deutscher Kriegseinsätze entgegengebrandet war. Er bedauere die Missverständnisse und vermisse den Respekt für sein Amt, sagte er. Was er nicht erwähnte: Kritik am Bundespräsidenten ist zwar ungewöhnlich, aber nicht ungebührlich. So verlässt Köhler als Gescheiterter das Schloss Bellevue - und hinterlässt schlechte Aussichten für die Regierung.
Das haben Angela Merkel und Guido Westerwelle nun davon, dass sie vor sechs Jahren einen Leichtmatrosen ohne politische Erfahrung in das hohe Amt gebracht haben. Mit Köhlers Wahl begann die neue schwarz-gelbe Ära in Deutschland, mit dem Gewinn Nordrhein-Westfalens nahm sie Fahrt auf und vor etwas mehr als sieben Monaten wurde sie schließlich durch den Sieg bei der Bundestagswahl auch formal begründet. Es ist nicht ohne geschichtliche Brisanz, dass ausgerechnet Horst Köhler nun auf Zurückspulen geschaltet hat: Er ist wieder weg, in Nordrhein-Westfalen hat die SPD gute Chancen, die Ministerpräsidentin zu stellen, und Schwarz-Gelb steht kurz vor dem Abgrund.
Es schlägt nun die Stunde der Kanzlerin. Trotz einer komfortablen schwarz-gelben Mehrheit in der Bundesversammlung, die laut Verfassung bis spätestens 30. Juni einen Nachfolger für Horst Köhler gewählt haben muss, reicht es in dieser Situation nicht mehr, irgendeinen Überraschungskandidaten ohne Profil und politisches Geschick zu präsentieren. Gefordert ist ein Schwergewicht, aber von denen umgeben die Kanzlerin in diesen Tagen nicht mehr allzu viele. Sich nur darauf zu verlassen, dass die Sozialdemokraten die Wahl von vornherein verloren geben werden, wäre zu leichtsinnig. SPD-Chef Sigmar Gabriel wird nicht wieder Gesine Schwan vorschlagen. Er wird eher an Frank-Walter Steinmeier oder Peer Steinbrück denken. Und vielleicht fällt ihm in einem grünen Moment sogar der ehemalige Außenminister Joschka Fischer ein. Zwar gibt es in der Opposition keine Koalition - aber mit Fischer hat Rot-Grün immerhin schon zweimal begonnen.