Der Hamburger Chef des Bundes für Natur und Umwelt Deutschland führt auch wirtschaftliche Gründe an, um bei Kohle- und Atomstrom auszusteigen
Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit - dies ist der Dreiklang, den sich führende Wirtschaftsvertreter für die Energiepolitik auch in Hamburg auf die Fahnen schreiben. Dagegen ist nichts einzuwenden. Bei den Lösungsvorschlägen seitens der Wirtschaft sieht es aber anders aus: Kohle- und Atomstrom sind angeblich nach wie vor die Garanten für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands - Klimaschutz hin oder her.
Die künftige Energiepolitik wird nicht in Hamburg entschieden, der Einfluss der Hansestadt auf die infrastrukturellen Weichenstellungen ist vergleichsweise klein. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Debatte vor Ort - zumal erst unlängst an dieser Stelle der Kieler Ex-Wirtschaftsminister Dr. Werner Marnette durch die Fakten irrlichterte.
So berücksichtigt die jüngste Studie des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) sehr wohl ökonomische Aspekte und bleibt nicht bei der Forderung nach intelligenten Netzen stehen. Vielmehr gehen die Wissenschaftler im Einklang mit Experten des Bundesumweltministeriums davon aus, dass bereits ab 2030 die spezifischen Stromgestehungskosten für regenerative Erzeugung günstiger ausfallen können als für konventionelle Energieträger. Damit ist sowohl klimapolitisch als auch ökonomisch der Weg klar vorgezeichnet: ohne Kohle und ohne Atom in die Zukunft.
Zur Frage der Wirtschaftlichkeit des Kohlekraftwerks Moorburg schweigen sich Wirtschaftsvertreter indes aus. Sie hinterfragen nicht, ob Moorburg bei einer Investitionssumme von bis zu 2,3 Milliarden Euro und den zu erwartenden Kosten des Emissionshandels oder - falls realisierbar - einer CO2-Abscheidung tatsächlich "billigen" Strom liefern wird.
Auch bezüglich der geplanten Fernwärmetrasse bringt Herr Marnette einiges durcheinander. So hätte es seitens Schwarz-Grün angeblich einen "geplanten Schlag" gegen das Kraftwerk Moorburg gegeben. Mit Verlaub: Vattenfall und Stadt wollten für die Fernwärmetrasse eine breite Schneise durch Hamburg schlagen. Das rund 240 Millionen Euro teure und keineswegs klimafreundliche Projekt sollte ohne Beteiligung der Bevölkerung und der Verbände durchgesetzt werden. Das Oberwaltungsgericht hat dies auf Antrag des BUNDs gestoppt.
Moorburg soll das Heizkraftwerk Wedel ablösen und 180 000 Wohneinheiten mit Fernwärme versorgen. Kaum ist nun die Trasse infrage gestellt, wird die Angst vor kalten Wohnungen geschürt. Verkannt wird, dass mit einer solchen Lösung die Klimaschutzziele nicht zu erreichen sind. Fernwärme aus Moorburg ist mit einem hohen CO2-Ausstoß verbunden - und dies für die nächsten 40 bis 50 Jahre. Die Kombination von hoch effizienten Gaskraftwerken und dezentralen Blockheizkraftwerken wäre ein deutlich besseres Konstrukt, das zudem auf den sinkenden Wärmebedarf im zunehmend energetisch sanierten Gebäudebestand flexibler reagieren könnte.
Der Weiterbetrieb von Wedel wäre für eine Übergangszeit durchaus möglich, da die Generalüberholung Anfang der 1990er-Jahre auf 25 bis 30 Jahre ausgelegt war. Bezeichnenderweise informierte Vattenfall selbst noch kürzlich die Öffentlichkeit, dass Wedel den "aktuellen Umweltstandards" genüge und Moorburg auch ohne Fernwärme-Auskopplung in Betrieb gehen könne.
Die Hamburger Energiepolitik muss sich alsbald der Aufgabe stellen, Netze und Versorgung zurück in kommunale Hände zu holen. Der Verkauf der HEW war ein Fehler und die Liberalisierung des Strommarktes hat bislang vor allem höhere Preise für Verbraucher und steigende Gewinne für Energiekonzerne hervorgebracht. Daher war es richtig, Hamburg Energie zu gründen - wenngleich der Start noch etwas verhalten ausfällt. Der Senat ist nun gefordert: Die Verträge für die Strom-, Gas- und Fernwärmeleitungen laufen 2014 aus, beziehungsweise sind bis dahin kündbar. Es müssen neue Erzeugungskapazitäten aufgebaut werden, in der Perspektive konsequent regenerativ, für den Übergang auch mit effizienten Gaskraftwerken.
Andernorts wird es vorgemacht. Die Stadtwerke Nürnberg beispielsweise sind an dem unlängst in Betrieb gegangenen Gaskraftwerk in Irsching (Oberbayern) beteiligt. Dort steht eine der modernsten Anlagen der Welt, und zwar als zentraler Bestandteil der Entwicklung des zukünftigen Energiemixes.
Die Protagonisten der Hamburger Wirtschaft täten gut daran, sich für innovative Projekte zu öffnen. Allein dies nützt den Bürgern und der Umwelt und schafft überdies mehr Arbeitsplätze.