Die Diskussion um Scientology wird immer heftiger. Viele fordern ein Verbot der “menschenverachtenden Organisation“.

Frankfurt a.M.. Nach der Ausstrahlung des ARD-Films „Bis nichts mehr bleibt“ wird in Deutschland neu über ein Verbot von Scientology diskutiert. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU), sowie Bayerns Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) sprachen sich für ein Verbot aus. Bislang hatte sich in der Innenministerkonferenz keine entsprechende Mehrheit gefunden. Der am Mittwochabend im Ersten ausgestrahlte Film beschreibt das Schicksal eines Scientology-Aussteigers. Er erreichte mit mehr als acht Millionen Zuschauern eine Top-Quote.

Ahlhaus sagte am Freitag, die anhaltende Diskussion über die Organisation könne dazu führen, dass andere Bundesländer ihre Ablehnung gegen ein solches Verbot noch einmal überdenken. Scientology sei eine „menschenverachtende Organisation“, die gegen das Vereinsgesetz verstoße und aggressiv gegen die verfassungsgemäße Ordnung kämpfe. Nicht ohne Grund werde sie seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet.

Der CSU-Politiker Herrmann sagte dem Internet-Portal „Bild.de“, Scientology verfolge verfassungsfeindliche Zielsetzungen. Die Lehre der Scientologen ziele auf ein totalitäres Herrschaftssystem, in dem eine Gleichberechtigung der Menschen nicht vorgesehen sei. „Dabei sollen die Besseren, Klügeren und Stärkeren über die Schwächeren herrschen“, sagte er. Der Politiker sprach zudem von einem „gigantischen Wirtschaftskonzern, der ständig nur die Maximierung des

Gewinns verfolgt“. Bisher sei es der Organisation allerdings nicht gelungen, in Deutschland Fuß zu fassen. „Das liegt vor allem an der intensiven Aufklärungsarbeit“, sagte Herrmann.

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günter Beckstein sagte, für ein Verbot der Scientology-Organisation gebe es hohe Hürden. Derzeit sehe er nicht genügend Hinweise für ein aggressiv-kämpferisches Vorgehen gegen die Verfassung, sagte der Vize-Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwochabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“.

Der Sprecher von Scientology Deutschland, Jürg Stettler, kritisierte die öffentliche Diskussion über seine Organisation als einseitig. Es werde eine Kampagne mit Falschinformationen geführt, beklagte er in der Talk-Sendung.

„Bis nichts mehr bleibt“ war nach Angaben des Senderverbunds der erfolgreichste ARD-Fernsehfilm am Mittwochabend seit zehn Jahren. 8,69 Millionen Zuschauer verfolgten die Geschichte einer jungen Familie, die durch die Organisation auseinandergerissen wird. Damit erzielte der Film einen Marktanteil von 27,1 Prozent und errang den Tagessieg.

Nach Darstellung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) beschreibt der Film wirklichkeitsnah die Auswirkungen einer Scientology-Mitgliedschaft: „Massiver Druck, finanzielle und psychische Abhängigkeit sind Erfahrungen, über die Aussteiger und deren Angehörige in der Beratungsarbeit immer wieder berichten.“ Scientology sei eine gewinnorientierte Organisation, die das menschliche Bedürfnis nach Selbstkontrolle und Lebensorientierung durch ein geschicktes Kurssystem finanziell ausnutze, kritisierten der stellvertretende EZW-Leiter Matthias Pöhlmann und EZW-Referent Michael Utsch.

Die Sektenexperten forderten kritische Informationen „über den ideologischen Charakter von Scientology“ sowie Beratungsangebote für Menschen, die direkt oder indirekt betroffen sind. Der Umgang der Scientology-Organisation mit Kritikern und Aussteigern entspreche nicht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Gesellschaft.

Scientology wird seit 1997 vom Verfassungsschutz beobachtet. Kritiker werfen der Organisation unter anderem vor, durch teure Psychokurse ihre Mitglieder in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen.