Ein guter Abschluss, Fachkenntnisse - und trotzdem keinen Arbeitsplatz. Das betrifft fast 3000 Hamburger unter 25 Jahren mit Lehre.

Hamburg. Lisa Adler ist aufgeschlossen, motiviert und gleich doppelt ausgebildet. Mit 16 Jahren und einem Realschulabschluss in der Tasche machte die Hamburgerin eine Lehre zur kaufmännischen Medienassistentin. Im Anschluss daran, mit 18 Jahren, bewarb sie sich für eine weitere Ausbildung - und hatte die Wahl zwischen drei Unternehmen. Sie entschied sich für eine große Cateringfirma und wurde Veranstaltungskauffrau. "Im letzten Lehrjahr war ich sogar allein verantwortlich für verschiedene Veranstaltungen", erzählt Adler. Sie hat die Eventbranche in allen Details kennengelernt. Hat DJs und Personal organisiert, Räume gebucht, Abläufe geplant, zwischendurch auch gekellnert und in Küche und Lager ausgeholfen.

Jetzt ist Lisa Adler 21 Jahre alt und arbeitslos. Nach dem Ende der Ausbildung im Januar konnte ihr früherer Arbeitgeber sie nicht übernehmen - "die Krise sei schuld", hieß es. Man würde sie aber gern ab und an als Leiterin für Veranstaltungen buchen, hieß es zum Trost. Es tröstete Lisa Adler nicht. Zumal die 50 Bewerbungen, die sie seitdem abgeschickt hat, ohne Erfolg blieben. "Ich bin noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden", klagt sie. Ähnlich frustrierende Erfahrungen machen in Hamburg derzeit viele junge Menschen trotz abgeschlossener Berufsausbildung: Insgesamt sind die Arbeitslosenzahlen in Hamburg zwar nur um 3,8 Prozent im Vergleich zu März 2009 gestiegen. Bei den unter 25-Jährigen, die eine betriebliche Ausbildung absolviert haben, suchen jedoch 12,7 Prozent mehr als vor einem Jahr nach Jobs - 2909 Hamburger waren es im März insgesamt.

"Diese Entwicklung hat sich seit dem vergangenen Herbst verschärft", sagte Rolf Steil, Chef der Hamburger Agentur für Arbeit, dem Abendblatt. "Die Betriebe brauchen noch kein neues Personal, sondern lasten erst einmal die vorhandenen Mitarbeiter aus." Zudem sei in Hamburg bis zum Jahr 2008 überproportional viel ausgebildet worden. Da Anfang des Jahres viele Abschlussprüfungen stattfanden, zeige sich dieser Negativtrend jetzt extrem.



Von dem enormen Anstieg dieser Zahlen sind laut der Nürnberger Agentur für Arbeit vor allem die norddeutschen Bundesländer betroffen. An der Spitze liegen Hamburg (plus 12,7 Prozent) und Bremen (plus 10,3 Prozent). Auch Schleswig-Holstein (plus 2,8 Prozent) und Nordrhein-Westfalen (plus 1,5 Prozent) haben geringe Zuwächse gemeldet. In allen anderen Bundesländern ist die Arbeitslosigkeit bei Ausgebildeten unter 25 Jahren rückläufig. Allerdings liegt sie in industriereichen Bundesländern wie Bayern oder Baden-Württemberg auf einem deutlich höheren Niveau: Während die ausgebildeten Arbeitslosen unter 25 Jahren in Hamburg nur 3,5 Prozent aller Erwerbslosen ausmachen, sind es in Süddeutschland etwa doppelt so viele. Der Norden erlebt also derzeit eine negative Entwicklung, die Süddeutschland längst durchgemacht hat.

Trotz des Negativtrends macht man sich bei der Hamburger Agentur für Arbeit viel weniger Sorgen um Menschen wie Lisa Adler als um Geringqualifizierte und ältere Erwerbslose. Rolf Steil sieht darin ein rein konjunkturelles Problem. "Das ist eine Durststrecke, die hoffentlich im Laufe des Jahres zu Ende geht", sagt der oberste Hamburger Jobverwalter. "Auch die Jüngeren werden demnächst wieder gefragt sein - sie müssen jetzt beharrlich sein und möglicherweise auch erst einmal eine Arbeit annehmen, die nicht ihrem absoluten Traumjob entspricht."

Genau das möchte Lennard Borchardt nicht. Ebenso wie Lisa Adler ist er 21 Jahre alt und sucht seit Ende Januar einen neuen Arbeitsplatz. Nach seiner Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik hat er noch ein Jahr mit einem Zeitvertrag gearbeitet, dann war bei seinem Arbeitgeber in Lokstedt keine Stelle mehr frei. Seine Leidenschaft sind komplexe Maschinen in Betrieben: "Während der Ausbildung habe ich gemerkt, wie viel Spaß es mir macht, Schaltpläne zu lesen und herauszufinden, was genau kaputt ist", sagt Borchardt. "Als Elektroniker für Gebäudetechnik würde ich wahrscheinlich leichter einen Job finden - aber das reizt mich nicht so sehr." Ebenso wie auch Lisa Adler hat er die Erfahrung gemacht, dass viele Firmen auf die Bewerbungen Jobsuchender nicht einmal reagieren. Ebenso wie sie wurde er noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Und ebenso wie sie sucht er motiviert weiter, bis es irgendwann klappt. Bis dahin erneuert er die Steckdosen im Haus seiner Großeltern.