Betrachtet man nur die nackten Zahlen, ist die finanzpolitische Lage Hamburgs nach zwei Jahren Schwarz-Grün desaströs. Die Neuverschuldung hat ein Rekordhoch erreicht, 1,5 Milliarden Euro musste sich die Stadt für die Rettung der HSH Nordbank leihen, mehrere Hundert Millionen, um bei Hapag-Lloyd einzusteigen, die Kosten diverser Projekte laufen aus dem Ruder, die der Elbphilharmonie haben sich gar auf 323 Millionen verdreifacht. Dass im Herbst 2009 spekuliert wurde, wie lange Finanzsenator Michael Freytag (CDU) das noch mitmacht, verwundert nicht - aus seiner Sicht lief fast alles schief.
Doch darf und muss mit Berechtigung gefragt werden: Inwiefern kann man die miserable Lage überhaupt dem Senat ankreiden? War es nicht viel mehr die internationale Finanzkrise, die jegliche Konsolidierungsbemühungen zunichte gemacht hat? Die Antwort liegt, wie so oft, in der Mitte. Tatsache ist: Finanzpolitisch betrachtet war Schwarz-Grün vom Start weg ein Schönwetterprojekt. Weil im Frühjahr 2008 die Steuern sprudelten wie nie zuvor in der Geschichte Hamburgs, entstand der Koalitionsvertrag unter dem Motto "Wünsch dir was", der Punkt "Haushalt/Finanzen" wurde ganz am Ende auf einer halben Seite abgehandelt. Auch die heraufziehende Finanzkrise sollte die schwarz-grünen Flitterwochen nicht stören: Statt Schulden zu tilgen oder Rücklagen zu bilden, wurde das Geld mit vollen Händen ausgegeben - wobei 2008 trotzdem, ebenso wie 2007, ein ausgeglichener Haushalt stand. Eine glückliche Fügung.
Doch kaum ein Jahr später war das Glück aufgebraucht. Als die Steuereinnahmen 2009 einbrachen, blieb dem Senat kaum etwas anderes übrig, als die Lücke von sechs Milliarden Euro (bis 2014) über Kredite zu füllen. Das Problem sind dabei weniger die Investitionen in Projekte wie Schulreform, Elbphilharmonie, Stadtbahn oder Elbvertiefung - das sind einmalige Ausgaben, die ja auch neue Werte schaffen. Der Mühlstein um den Hals des Senats sind vielmehr die durch diverse Einzelmaßnahmen enorm gesteigerten laufenden Ausgaben. Mehr und teilweise kostenlose Kitaplätze, niedrigere Studiengebühren, eine "Arbeitsstelle Vielfalt" gegen Diskriminierung - von den Kosten für diese Segnungen kommen CDU und GAL jetzt kaum noch herunter.
Das zeigte sich im Herbst 2009, als ein Sparprogramm aufgelegt wurde, um die Zinsen für die neuen Kredite aus eigener Kraft zahlen zu können. Das Ergebnis war ein Aufschrei der Empörung, weil zum Beispiel das Mittagessen in Kitas 40 Cent teurer werden sollte. Aber was wäre die Alternative gewesen? Noch mehr Schulden! Für den Finanzsenator heißt das: Probleme bekommt er so oder so. Aber ist er deswegen auch das Problem? Abgesehen von einigen ungeschickten Äußerungen steht der Beleg dafür noch aus.
Anlass zur Hoffnung bietet ausgerechnet die HSH Nordbank. Zwar wird sich vor allem Freytag im Untersuchungsausschuss noch der Frage stellen müssen, warum er die Lage so lange schöngeredet hat. Aber nicht zu leugnen ist, dass die Rettung die Stadt bislang noch keinen Cent gekostet hat. Im Gegenteil: Unter dem Strich kassieren Hamburg und Schleswig-Holstein pro Jahr 150 Millionen Euro an Gebühren. Sollte die Garantie der Länder unangetastet bleiben, könnte die Aktion am Ende sogar ein gutes Geschäft werden. Das ist aber, wie gesagt, nur eine Hoffnung.