Wer an diesem Tag hierherkommt, will seine Neujahrsvorsätze unbedingt umsetzen: nämlich Pfunde verlieren.
Hamburg. Du strampelst mit den Füßen, als verfolge dich der Leibhaftige bergauf. Du ruderst wie ein Berserker mit den Armen und verfluchst inbrünstig die Höllenmaschine unter dir. Ein bisschen wie Wattwandern und Skilaufen ist das, nur viel schneller. Ergebnis: Das neue Jahr wird auf schnaufende Art begrüßt. Die Pumpe rattert, der Schweiß rinnt. Jetzt ein feudales Frühstück mit Spiegelei und Speck ...
Nix da! Denn die guten Vorsätze für 2010 sollen nicht schon wieder unmittelbar nach dem Start über den Haufen geschmissen werden. Dennoch verfluchst du diesen jungen Januartag, haust noch mehr rein - ohne einen Meter vorwärtszugelangen. Weil du auf einem Foltergerät namens Crosstrainer im Fitnesscenter Sportlife über den Dächern Othmarschens malochst und durch die Fenster auf die A 7 blickst. Wo andere bequemer und schneller vorankommen ...
Viele hier haben sich für ein spezielles Abspeckprogramm entschieden. Mit einem ausgeklügelten Ernährungs- und Bewegungsprogramm soll den Pfunden jetzt ernsthaft zu Leibe gerückt werden. Ziel: fünf Kilo in zwei Wochen.
Einer will das Doppelte schaffen: zehn Kilo bis Ostern. "Schluss mit dem feudalen Leben", gibt Norbert Klang als Parole des Premierenwochenendes 2010 aus. Schluss mit Aufläufen, mit Pasta und sahnigen Soßen, mit Marzipan, Schluss mit zu viel Pils. "Jetzt wird Sport getrieben", sagt der Mitarbeiter der Hochbahnwache und deutet auf ein kleines Bäuchlein, das im Süden gemeinhin als Haxenfriedhof bezeichnet wird. Zu oft wurden Bratwürstchen, Schinkenbrötchen und Naschkram beerdigt. Ade, geliebte Sünden!
Klang will es sich selbst und den Kumpels des Fußballklubs Teutonia 10 in Altona zeigen und an fitte Tradition in der Vergangenheit anknüpfen. Als der Mann wie eine Feder über 15 Marathonstrecken schwebte ...
Weil's ihm nicht auf Muckis ankommt, knechtet er auf Crosstrainer und Laufband. Und da geteiltes Leid halbes Leid ist, hilft ein Blick zur Seite. Für Krafttraining und Muskelaufbau stehen Rückenstrecker, Schulterpresse, Beinbeuger und Apparate für Klimmzüge oder Rotation bereit. Schon die Namensnennung lässt Kalorien verbrauchen - vor Schreck. Furchtlos geht Norbert Klang seinen Weg. "Ich will es schaffen - und ich werde es schaffen!", verspricht er zum Abschied. Respekt.
Hut ab auch vor Christina Nehm. Die 40-Jährige aus Blankenese quält sich voller Heldenmut. Während die Freundinnen café-tisieren, ächzt sie freudvoll. Weil zielorientiert. Je 30 Minuten Laufband, Crosstrainer sowie Trimmrad stehen heute auf dem Programm. Weil Frau Nehm sich über den persönlichen Schweinehund ärgert: Zehn Kilo nahm sie 2009 bei den Weight Watchers ab, sieben davon sind wieder drauf. Grund: gute Speisen und das geliebte Hefeweizen. Wobei die lebensfrohe Hamburgerin von einem wahrlich "schweren" Schicksal heimgesucht wird: Sie arbeitet als Personalleiterin in ... einer Schokoladenfabrik. Pralinentests gehören zum Alltag. Ehemann Ralf Hermann-Nehm, ein sportlicher Mensch, will bis Juni sechs Kilo in Luft auflösen.
Eigentlich möchte jeder aus weniger mehr machen - mehr Lebensqualität eben. So wie Stefan Schulz, Kaufmann aus Langenhorn. Mit fünf weiteren Schwergewichten trifft er sich an diesem Montag um 19 Uhr zum finalen Luxusschmaus im To'n Peerstall. Zum Dessert geht's auf die Waage. Wer zum Frühlingsanfang nicht zehn Kilo weniger präsentiert, wird schmerzhaft zur Kasse gebeten. Am Ende sollen alle gewinnen - nur nicht an Gewicht.
Auch Stefanie Grünke aus Elmshorn hat Großes vor. "Nur Sofa mit Chips und Nugat geht gar nicht", hat sie beschlossen und ganz persönliche Konsequenzen gezogen. Den Job als Bezirksleiterin für Herrenmode quittierte sie, um einen sportlichen Beruf zu ergreifen. Jetzt arbeitet sie als Sales-Managerin in den vier Sportlife-Studios - und geht mit bestem Beispiel voran. Dreimal in der Woche ist Zirkeltraining angesagt: "auf die Schnelle", eine knappe halbe Stunde an neun Geräten. Zum Warmmachen werden Hanteln geschwungen.
Irgendwie macht der Wille zu mehr Gesundheit stark. Zumal das gemeinsame Ziel zusammenschweißt: Zwar fließt an diesem ersten Januarwochenende eine Menge Schweiß, doch wird auch viel gelacht. Jérome Zentner, Masseur und medizinischer Bademeister aus Eimsbüttel, ist auf gutem Wege, seinem Nachnamen keine Ehre zu machen. Das Maximalgewicht von einstmals hundert Kilo hat er weit unterschritten. Die Hilfsmittel: vernünftige Ernährung, nur noch alkoholfreies Weizenbier, mehrfach wöchentlich Tischtennis-Training in Reihen des "TTC Die Sterne". Fürs neue Jahr wird zudem mehr Kultur angestrebt. Mens sana in corpore sano. Weil ... in einem gesunden Körper ein gesunder Geist wohnt ...
Auch andere haben mehr vor als "nur" Gewichtsreduktion. Norbert Klang will wieder mehr draußen laufen. Christina Nehm freut sich auf den Andalusien-Urlaub im Herbst und will diesen mit ersten Spanischkenntnissen antreten. CDs zum Selbststudium sind gekauft; jetzt wird noch ein Lehrer für den Einzelunterricht gesucht.
Derweil werden die Novizen an den Trimmgeräten von Anne-Marie eingewiesen. Die angehende Fitness-Ökonomin aus Wilhelmsburg ist das Leichtgewicht vor Ort. Von ihrem Ziel können die anderen hier nur träumen: Anne-Marie möchte fünf Kilo zunehmen. Kein Scherz.