"Es hätte nicht sein müssen, dass das Jugendamt diesen Weg geht", sagt Edith Osei (Name geändert) und lächelt tapfer. "Doch es hat mir nicht vertraut." Resigniert hat die 29-Jährige nie. Leise sagt sie: "Ich hätte alles für Sandy gemacht." Das Jugendamt ist ein Kapitel, das die Frau aus Ghana hinter sich gelassen hat. Sie lebt mit ihrer Tochter in ihrer eigenen Wohnung. Seit August. Probleme? "Nein", sagt sie und lächelt.
Eineinhalb Jahre lang wurde sie im Margaretenhort betreut, einer Mutter-Kind-Einrichtung in Wilhelmsburg, die sich um 240 Kinder kümmert.
"Ohne meine Betreuerinnen wäre ich nie so weit gekommen", sagt die junge Afrikanerin. Sie steht auf der Erfolgsseite der Bilanz. Doch Edith Osei ist ein Ausnahmefall. Ihr Problem war mehr kultureller Natur.
2004 kommt Osei aus Ghana nach Deutschland. Sie verliebt sich, bekommt eine Aufenthaltsgenehmigung. Noch bevor ihr Visum abläuft, wird sie mit ihrer Tochter Sandy schwanger und bringt ihr Kind in Hamburg zur Welt. Doch sie will weg von ihrem deutschen Freund. "Er ist Alkoholiker, immer wieder hat er mich geschlagen", schildert sie. Sie vertraut sich dessen Sozialarbeiterin an. Doch die glaubt nicht ihr, sondern ihrem Freund: Er gibt an, Edith Osei würde sich nicht um ihr Kind kümmern. Sie spricht nur gebrochen Deutsch, sie versteht nicht alles, was die Sozialarbeiter sagen. Sie kann sich nicht verteidigen. "Die beiden Frauen vom Jugendamt sagten: Sammeln Sie ein paar Sachen ein. Für Sie und für Sandy getrennt." Sie kommt in ein Frauenhaus, ihre Tochter ins Kinderschutzhaus am Südring.
Über das, was dann folgt, kann Osei nur schwer sprechen. Verzweifelt sei sie im Frauenhaus gewesen, getrennt von ihrem Kind. Und dann wird sie in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Der Tiefpunkt.
Doch Edith Osei lässt sich nicht hängen. Sie bekommt schließlich die Chance, wieder mit ihrer Tochter zusammenzuleben: "Das Jugendamt hatte die Vormundschaft und sagte, wenn ich Sandy wiedersehen will, muss ich in eine Mutter-Kind-Einrichtung." Nach zwei Terminen beim Familienrichter zieht sie nach Wilhelmsburg, zwei Zimmer, Gemeinschaftsküche. Die Freude ist endlos: "Das war fantastisch. Endlich war ich mit Sandy zusammen. Sie war noch so klein. Alle Probleme waren vergessen."
Osei ist ein Musterfall im Margaretenhort. Trotz des erzwungenen Zusammenlebens. "Ja, ich habe das als Hilfe erlebt. Denn sonst hätte ich nicht mit meiner Tochter zusammenleben können. Für alle, die im Stress sind, hilft es wirklich", sagt die 29-Jährige.
Und dann erzählt sie doch von diesem schlimmen Tag, an dessen Ende sie sich in der Psychiatrie wiederfand. "Ich durfte Sandy, die ich noch gestillt habe, nur einmal am Tag sehen. Das hat mich fertiggemacht", sagt sie. "Sehr durcheinander" sei sie gewesen. Dann der nervliche Zusammenbruch. Sie irrt durch die Stadt, ist schließlich am Flughafen. "Ich habe mein Kind gesucht, war durcheinander", sind Versatzstücke einer Erklärung. Und dann hat sie versucht, einer anderen Frau ihr Kind wegzunehmen. Die Polizei bringt sie nach Ochsenzoll.
Drei Wochen soll sie in der geschlossenen Psychiatrie bleiben, es werden zwei Monate, da es Probleme mit einer Unterkunft gibt. Einen ganzen Monat sieht sie ihr Baby nicht, dann erhält sie ein Besuchsrecht für Sandy, wegen guter Führung - erst einmal, dann zweimal pro Woche. Wenig später kommt über Umwege das Angebot aus dem Margaretenhort - die glückliche Wendung.
In ihrer Wohnung samt Gemeinschaftsküche an der Mannesallee wird sie bei Behördengängen und Arztbesuchen begleitet. Kontrolliert wird, ob sie Sandy in die Spielgruppe bringt, ob sie der Hilfe der Hebamme folgt, sich den Entscheidungen ihrer Betreuerinnen beugt. "Mit Sandy selbst hatte ich nie Probleme. Waschen, füttern, mich kümmern. Das ging mir alles leicht von der Hand."
Sie soll ihren eigenen Weg finden, heißt es aus der Einrichtung. Sie kann ihre Zeit eigenständig einteilen. Doch sobald sie ein Problem sieht, ist jemand für sie da. Die Betreuung gibt ihr Luft. Und sie erhält zudem die Zeit und Möglichkeiten, sich um sich selbst zu kümmern. Sie emanzipiert sich, auch von ihrem Ex-Freund: "Ich habe Abitur, habe in Ghana als Erzieherin gearbeitet, lerne Deutsch und bewerbe mich derzeit auf ein Studium."
Doch sie sieht auch, was passieren würde, sollte sie sich weigern, mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten. "Viele ganz junge Mütter sind sehr zickig. Eine hat sich immer gewehrt: Die Hebamme sollte weggehen, die Betreuerinnen weggehen. Irgendwann war das Kind weg." Sie sagt das so, als befürchte sie noch immer, sich falsch verhalten zu können.
Die Zeit im Margaretenhort nimmt sie auf sich, um mit ihrer Tochter zusammen zu sein. Und sie genießt sie auch - um sich in Ruhe entwickeln zu können. "Ich habe mich sehr wohl gefühlt." Der Gedanke an Rebellion kommt nie auf. Ihr Entgegenkommen zahlt sich aus: Nach zwei Jahren darf sie den Margaretenhort verlassen, in eine nahe Wohnung ziehen. Die Betreuung endet nicht automatisch: Würde sie Sandy drei Wochen hintereinander nicht zur Spielgruppe bringen, stünden die Betreuerinnen wieder an der Tür.
Die Zeit im Mutter-Kind-Haus und davor sieht sie heute zwei geteilt: "Ich weiß bis heute nicht, warum man mir damals mein Kind weggenommen hat", sagt sie. Aber auch: "Als ich Hilfe brauchte, habe ich welche bekommen. Deshalb kann man nicht sagen, dass das Jugendamt schlecht gearbeitet hat." Sie habe ja keine blasse Ahnung, wie das hier in Deutschland laufe. "Deshalb ist das mit Sandy passiert." Und dann lacht sie laut. Sie hat alles überstanden. Mit Sandy selbstständig zu leben, das war immer ihr Traum. Und den lebt sie jetzt.