Am 31. Oktober werden um 18 Uhr alle Glocken läuten und die Sanierung verkünden. Die offizielle Wiedereinweihung soll am 1. Advent stattfinden.

Hamburg. Als 1983 die Arbeiten am 132 Meter hohen Turm des Hamburger Michel begannen, gab es weder Handys, Emails noch Internet. Bürgermeister in Hamburg war Klaus von Dohnanyi (SPD), in Bonn regierte Helmut Kohl (CDU) im zweiten Jahr. Rechnungen wurden noch in D-Mark bezahlt, und die Mauer in Berlin schien weitaus stabiler zu sein als die Grundsteine von Hamburgs größter Kirche mit ihren 2.500 Plätzen.

„Niemand hat anfangs geahnt, dass die Sache länger als ein Vierteljahrhundert dauern würde“, sagt Helge Adolphsen, der 18 Jahre lang Michel-Hauptpastor war und die Baustelle 1987 von seinem Vorgänger Hans-Jürgen Quest (1924-1999) übernahm. 2005 übergab er sie an Hauptpastor Alexander Röder, der jetzt nach mehr als einem Vierteljahrhundert die Wiedereinweihung feiern darf: Der Michel, Hamburgs Wahrzeichen, ist saniert.

Allein 13 lange Jahre dauerten die komplizierten Arbeiten am Turm, rund 26 Millionen Mark wurden damals verbaut. Nahezu direkt im Anschluss folgten die Außenmauern und die Fenster des Kirchenschiffs, mit veranschlagten Kosten von rund zehn Millionen, nun aber in Euro. Eine Summe, die aufzubringen illusorisch schien, zumal etliche Turmkredite noch offen standen. Doch St. Michaelis ist nicht irgendeine Kirche: „Der Michel ist Hamburg“, lautete die stolze Parole.

Lange bevor der Begriff „Fundraising“ in Mode kam, wurde am Michel eine der größten und langfristigsten Spendenaktionen initiiert, die Norddeutschland je gesehen hat. „Das Engagement war und ist überwältigend“, sagt Hauptpastor Röder heute. Von wenigen Cent im Klingelbeutel bis hin zu sechs- und siebenstelligen Spenden war alles im Programm. Große Firmen feierten gegen einen großzügigen Obolus ihre Betriebsfeste im Michel.

Der Klassiker zur Turmsanierung war die Michel-Uhr, mit einem Ziffernblatt aus original Michel-Kupfer. Bereits 1992 konnte das 50.000. Exemplar an Fußball-Idol Uwe Seeler übergeben werden, der sich ab 2002 gemeinsam mit Ex-Tagesschausprecherin Dagmar Berghoff auch als „Michel-Botschafter“ einsetzte. Presse, Funk und Fernsehen berichteten stets groß und plakativ über den Fortgang der Arbeiten. „Die Medien sind die modernen Glocken der Kirchen“, sagte Adolphsen. Im Mai 2002 wurde die „Stiftung St. Michaelis“ gegründet. Ihr einziger Zweck: Geldbeschaffung. Als Schirmherr wurde Ole von Beust (CDU) gewonnen, der die Michel-Sanierung sofort zur persönlichen „Chef-Sache“ erklärte. Nach Klaus von Dohnanyi, Henning Voscherau und Ortwin Runde (alle SPD) war er mittlerweile der vierte Hamburger Bürgermeister, der die Arbeiten verfolgte.

Doch trotz Dauerbaustelle blieb der Michel stets eine geöffnete Kirche, mit über 4.000 Gemeindemitgliedern, großen Chören und Kinder- und Jugendarbeit. Allein zu den Heiligabendgottesdiensten kommen jährlich rund 13.000 Menschen. Einschließlich der Touristenströme zählt man über eine Million Besucher pro Jahr. „Dass dies parallel gelang, ist vielleicht das größte Wunder von einem Vierteljahrhundert Baugeschichte“, sagt Röder. Und: Es gab keinen einzigen Unfall in dieser Zeit.

Rechtzeitig vor Beginn der Innensanierung und Vollsperrung des Kirchenschiffs war die Krypta, das Gruftgewölbe unter dem Michel, ihrerseits saniert und ausgebaut worden. Zehn Monate lang dienten die 1.000 Gewölbe-Quadratmeter der Gemeinde als Unterkunft für Gottesdienste, Konzerte und Feste aller Art.

Die Sanierung des barocken Innenraumes begann Anfang 2009 inmitten einer Gerüstlandschaft von 25.000 Kubikmetern. 6.000 Kilogramm weiße Farbe kamen an die Wände, 3,6 Kilometer Heizungsrohre und 29 Kilometer Stromkabel wurden verlegt. 150 mehrarmige Leuchter und 24 Engelfiguren mussten in die Werkstatt, 80 Kirchenbänke mit knapp 650 laufenden Metern wurden ausgebessert und neu lackiert.

„Wir sind im Zeitplan“, sagt Hauptpastor Röder und kann es selbst noch kaum fassen. 26 Jahre sind 312 Monate oder 1.352 Wochen. Jetzt aber sind es nur noch wenige Tage bis zum ersten großen Fest der Wiedereröffnung. Am Reformationstag, 31. Oktober, werden um 18 Uhr alle Michel-Glocken läuten und der Stadt verkünden, dass ihr Wahrzeichen saniert ist. Der Festakt zur offiziellen Wiedereinweihung soll am 1. Advent stattfinden – dazu wird auch der Erste Bürgermeister erwartet.