Der Bezirk-Mitte möchte die Bewohnerstruktur schützen und weitere Sanierungen - mit denen langjährige Mieter vertrieben werden - verhindern.
Hamburg. Der Stadtteil St. Georg soll eine "Soziale Erhaltungsverordnung" bekommen. Das fordern Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) und Bezirkspolitiker: "Diese Verordnung soll dafür sorgen, dass die Bevölkerungsstruktur erhalten bleibt und die Mieter nicht durch Luxussanierungen vertrieben werden", sagt Bezirksamtsleiter Schreiber. So werde auch eine weitere "Schickimickisierung" verhindert.
Eine vom Bezirksamt Mitte in Auftrag gegebene Vorstudie (liegt dem Abendblatt vor) kommt nun zu dem Ergebnis, dass sowohl die Voraussetzungen als auch die Anwendungsmöglichkeiten für eine solche Verordnung gegeben sind. Die Experten vom Hamburger Büro Arge Kirchhoff/Jacobs, die diese Studie erstellt haben, empfehlen das Verfahren einzuleiten und mit einer repräsentativen Untersuchung genauere Informationen über die Bevölkerungsstruktur, deren Entwicklung und Wohnsituation der Haushalte zu ermitteln.
Doch zunächst muss der Senat nach Prüfung der Vorstudie entscheiden, ob eine Soziale Erhaltungsverordnung aufgestellt werden soll. Auf Grundlage der erhobenen Daten erfolgt dann eine wissenschaftliche Untersuchung des Gebiets durch ein unabhängiges Institut: "Das kann bis zu einem Jahr dauern. Bei positivem Ergebnis würde der Senat dann eine Soziale Erhaltungsverordnung erlassen", sagt Helma Krstanoski, Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde.
Das vorgesehene Gebiet würde große Teile des Stadtteils umfasssen. Darunter sind auch die Lange Reihe und die Koppel. Bislang gibt es in Hamburg nur für die südliche Neustadt eine Soziale Erhaltungsverordnung.
Die Anwohner und Geschäftsleute in St. Georg sehen einer möglichen Sozialen Erhaltungsverordnung mit gemischten Gefühlen entgegen: "Der Stadtteil entwickelt sich immer mehr zum Latte-macchiato-Viertel, vielleicht könnte das durch eine solche Verordnung gestoppt werden", sagt Lehrer Marc Karbowski (37), der seit vier Jahren in St. Georg lebt. "Ich finde aber vor allem schade, dass an der Langen Reihe immer mehr alteingesessene Geschäfte verschwinden." Für Ingrid Mock (67), die seit mehr als 50 Jahren in dem Stadtteil arbeitet und ein Sanitätshaus betreibt, steht fest: "Eine solche Verordnung kommt zu spät. Hier hat sich schon vieles zum Nachteil entwickelt, das kann man jetzt auch nicht mehr stoppen." Auch Helmut Voigtland, Vorsitzender des Bürgervereins zu St. Georg, sieht Probleme: "Eine solche Verordnung zu kontrollieren bedeutet einen hohen Aufwand für die Verwaltung. Es ist fraglich, ob der Bezirk dafür genügend Personal zur Verfügung stellen kann."
Die Bezirksversammlung hatte mit den Stimmen von GAL und SPD bereits im Dezember 2008 beschlossen, dass eine Vorstudie erstellt werden soll: "Wir gehen davon aus, dass der Senat nun zügig handelt und wir schon bald eine Soziale Erhaltungsverordnung für St. Georg bekommen. Dann können die Mieter entspannt das Leben im Stadtteil genießen, weil sie weniger Angst vor Immobilienspekulanten haben müssen", sagt GAL-Fraktionschef Michael Osterburg. Keine Unterstützung kommt von der CDU: "Wir benötigen eine solche Verordnung nicht. Ein solches Instrument ist doch überholt", sagt Fraktionschef Gunter Böttcher. In der heutigen Zeit könne dadurch ein Entwicklungsprozess bei der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung nicht mehr aufgehalten werden.