CDU-Abgeordneter will die Naturwissenschaften von Eimsbüttel nach Bahrenfeld verlagern. Desy-Chef dafür.

Hamburg. In der Diskussion über die Zukunft der Universität könnte es eine spektakuläre Wende geben. Zwischen die beiden Pole - Erhalt am Standort im Bezirk Eimsbüttel oder Komplettumzug auf den Kleinen Grasbrook im Hafen - stößt jetzt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Rüdiger Kruse: Er schlägt vor, einen Teil der Uni, die Naturwissenschaften, auf das Gelände der Trabrennbahn Bahrenfeld zu verlagern, in unmittelbare Nachbarschaft zum Forschungszentrum Desy (Deutsches Elektronen-Synchrotron).

Kruse: "Eimsbüttel bietet zwar ausreichend Platz für die Uni. Aber durch eine Teilverlagerung könnten Synergien geschaffen werden." Seine Begründung: "Desy ist einer der wenigen Orte weltweit, an denen mit so hohem Aufwand Grundlagenforschung betrieben wird. Diese strahlt in die Naturwissenschaften und auch in die Medizin aus. Hier eine räumliche Nähe zu suchen würde Sinn machen."

Der CDU-Politiker, der im Wahlkreis Eimsbüttel für den Bundestag kandidiert, betont, dass es sich nur um eine persönliche Meinungsäußerung handele. Doch die genießt Rückendeckung aus höchsten Kreisen. Desy-Chef Helmut Dosch und sein Vorgänger, der heutige Vorsitzende des einflussreichen Hochschulrats, Albrecht Wagner, sind Verfechter dieses Plans. Auch Bürgermeister Ole von Beust (CDU) soll ihm positiv gegenüberstehen. Und Handelskammer-Präses Frank Horch hatte ebenfalls schon von der Trabrennbahn als möglichem Uni-Standort gesprochen.

Dosch sagte dem Abendblatt: "Wenn man die Nähe hätte, dass die Studenten von Anfang an in die internationale Großforschung hineinschnuppern könnten, würde das der Universität einen Kick geben. Das wäre ein starkes Signal." Beispiele gebe es weltweit nur an ganz wenigen Orten, zum Beispiel an der US-Elite-Uni Stanford. Im Übrigen seien ja bereits einige Uni-Institute auf dem Desy-Gelände, zum Beispiel das Institut für Laser-Physik und das EMBL (European Molecular Biology Laboratory).

Wagner hatte den Plan eines Teilumzugs der Uni nach Bahrenfeld einst aufgebracht, er war jedoch nie ernsthaft politisch diskutiert worden - bis jetzt. Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) hatte vor einem Jahr die Uni zum Sanierungsfall erklärt und verfolgt seitdem den Plan eines Neubaus im Hafen. Kosten: bis zu 2,1 Milliarden Euro. Das sei der Sanierung (1,3 Milliarden) oder einem Neubau am jetzigen Standort (1,5 Milliarden) vorzuziehen. Aus Eimsbüttel kam heftiger Protest, das Bezirksamt legte sogar einen eigenen Plan vor, der einen Mix aus Sanierung und Neubau im Grindelviertel vorsieht.

Kruses Vorstoß kommt nun zu einer Zeit, in der sowohl die CDU als auch Regierungspartner GAL um eine klare Haltung ringen. Der Haushaltsexperte betrachtet das Thema vor allem durch die finanzpolitische Brille. Gundelachs Verdienst sei es, das Thema Uni so in den Mittelpunkt gerückt zu haben, dass die Stadt möglicherweise einen Milliardenbetrag zur Verfügung stellen wird. Der werde angesichts der extrem angespannten Haushaltslage aber wohl deutlich unter zwei Milliarden liegen. Die Kosten für einen Uni-Neubau auf dem Kleinen Grasbrook schätzt Kruse aber auf eher vier Milliarden. Hinzu kämen große Probleme mit dort ansässigen Hafenbetrieben, die Mietverträge bis 2025 hätten und im Falle der Verdrängung möglicherweise die Stadt verlassen. Kruse: "Ich halte es nicht für klug, hochwertige Funktionsflächen des Hafens aufzugeben für städtebauliche Projekte, bei denen die Wasserlage einfach nur nett ist." Auch die Handelskammer ist gegen die Hafen-Uni.

Kritisch sieht Kruse das Vorgehen der Wissenschaftssenatorin: "Bevor man Gebäude für eine Uni der Zukunft plant, muss man wissen, wie diese Universität aussehen soll. Welche Schwerpunkte sollen gesetzt werden? Wo wird Exzellenz angestrebt? Wie viele Studierende soll es geben?" Erst daraus ergebe sich der Bedarf an Fläche und Zuschnitt, und erst danach könne man nach dem Standort fragen.

Eine Teilverlagerung nach Bahrenfeld zieht aber auch ein Problem nach sich. Denn der Senat will die Trabrennbahn zwar verkaufen und Traber und Galopper in Horn zusammenlegen. Doch das Bahrenfelder Gelände soll für Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden, aus den Einnahmen soll teilweise die Überdeckelung der A 7 nördlich des Elbtunnels finanziert werden. Da das mit Kruses Uni-Plänen nur eingeschränkt vereinbar wäre, schlägt der CDU-Politiker vor, die bisher von den Naturwissenschaftlern genutzten Areale an der Bundesstraße mit Wohnungen zu bebauen: "Der in Bahrenfeld wegfallende Teil Wohnungsbau könnte dann in Eimsbüttel stattfinden, ein auf dem Wohnungsmarkt stark nachgefragter Stadtteil."

Widerstand ist so oder so programmiert - die Uni-Diskussion geht in eine neue Runde.