Schulkinder begleiten die Polizei bei Kontrollen und sprechen Autofahrer auf ihre Verkehrsfehler an. “Vielen ist es peinlich, wenn sie erwischt werden“, sagt Greta (9)
792 Kinder verunglückten im vergangenen Jahr bei Verkehrsunfällen. 95 von ihnen erlitten schwere Verletzungen. 697 wurden leicht verletzt. Zwar sinkt die Anzahl der bei Unfällen verunglückten Kinder seit Jahren - 2002 gab es noch 1109 verletzte Kinder. Dennoch erhöht die Polizei von Jahr zu Jahr die Zahl der Kontrollen vor Schulen und Kitas. Unfälle mit Kindern zu verhindern ist eines der obersten Ziele der Polizei. "Jedes verletzte Kind ist ein verletztes zu viel", sagte Polizeipräsident Werner Jantosch zum Auftakt der Aktion "Rücksicht auf Kinder ... kommt an". Wie berichtet, wird die Polizei in den nächsten Wochen vor Schulen in Hamburg kontrollieren.
Donnerstag, 11 Uhr: Greta Priebe (9) und ihre Mitschüler haben eine Freistunde, stehen am Straßenrand vor der Grundschule Richardstraße in Eilbek. Heute gibt es Wichtigeres als Unterricht. Die Schüler der 4. Klasse sind selbst Lehrer - Verkehrslehrer. Sie "erziehen" Autofahrer, die vor ihrer Schule zu schnell fahren.
"Ich finde das sehr spannend", sagt Greta. "Vielen ist es peinlich, wenn sie von uns erwischt werden." Die Schüler haben einen Fragebogen von der Polizei bekommen, den sie mit den Temposündern durchgehen und besprechen.
"Können Sie sich erklären, warum Sie zu schnell gefahren sind?", fragt Greta den Bauunternehmer Bernd Reiher. Er ist mit 44 Kilometern pro Stunde durch die Tempo-30-Zone gefahren. "Ich war in Gedanken schon bei meinem nächsten Termin, habe das Schild nicht gesehen", antwortet der 64-Jährige. "In Gedanken, das sagen die meisten", erwidert Greta. Nächste Frage: "Hätten Sie rechtzeitig anhalten können, wenn plötzlich ein Kind auf die Straße gelaufen wäre?" Bernd Reiher zögert. "Das weiß ich nicht", sagt er dann. Der Autofahrer ist einer der wenigen, die so antworten. Die meisten denken, sie könnten schnell genug abbremsen. "Dabei ist das ein Grundsatz, den man in der Fahrschule lernt", sagt Verkehrslehrer Michael Körner (46). "Halber Tacho gleich Bremslänge". Bernd Reiher hätte nicht rechtzeitig bremsen können.
Die Polizei hat im vergangenen Jahr 458 Kontrollen vor Schulen, Kitas, Spiel- und Sportplätzen gestartet. Das Ergebnis: 3822 Anzeigen wegen Geschwindigkeitsverstößen. Weitere 381 Kontrollen mit Schwerpunkt Kinderanschnallpflicht/Kindersitze führten zu 613 Anzeigen. Trotz Abnahme der Anzahl der Unfälle mit verunglückten Kindern gab es im Jahr 2008 einen Anstieg der Unfälle, bei denen Kinder beteiligt, also nicht zwangsläufig verletzt wurden. Die Zahl stieg um 3,7 Prozent von 652 auf 676.
Gestern hielten die Schüler der Grundschule Richardstraße zehn Autofahrer an. Fast alle zeigten sich einsichtig, befürworteten die Aktion. "Wenn einem ein Kind auf den Zahn fühlt, ist das schon was anderes", sagt Heiko Schöwing (29). "Man denkt eher darüber nach." Der Student war mit Tempo 54 der "Spitzenreiter" des Tages.
Bis Ende Mai gibt es 700 Kontrollen vor Schulen. Heute kontrolliert die Polizei in den Stadtteilen Schnelsen, Barmbek-Nord und Neugraben-Fischbek.