Elbe und Alster als Eventkulisse: Die Rückkehr des Sports in die City hat neue Potenziale freigesetzt. Hamburg dient dabei als Modell dank seiner Verbindung von Spitzen- und Breitensport.

Wenn Frank Mackerodt (45) am Sonntag gegen 13 Uhr an der Glacischaussee das Medienzentrum in den Fliegenden Bauten betritt, interessiert den Macher des Hamburger Marathons nur eine Zahl: Wie viele Menschen haben den Lauf an Elbe und Alster verfolgt? Geschätzte 700 000 bis 800 000, meldete die Polizei vor einem Jahr, seien unterwegs gewesen, fast die halbe Stadt. Diesmal, hofft Mackerodt, könnte der Rekord sogar überboten werden: "Es wird an der Strecke noch mehr Partys, Bier- und Wurststände geben als zuletzt, dazu zahlreiche neue Mitmachangebote. Das meiste sind private Initiativen. Die Bevölkerung nimmt den Marathon an. Mehr geht nicht."

Hamburg feiert. Eine Stadt wird zum Stadion - Sport, Spiel, Spannung über vier, fünf Stunden auf 42,195 Kilometer Asphalt, einmal St. Pauli und zurück "Die Begeisterung der Menschen ist inzwischen einer der wichtigsten Gradmesser für den Erfolg einer Veranstaltung", sagt Mackerodt. Namen und Zeiten der Sieger seien vergänglich, "nachhaltiger in Erinnerung bleiben Emotionen, Schicksale und Atmosphäre".

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Sport findet Stadt - das Konzept hat sich durchgesetzt. Die Rückkehr der Wettkämpfe in die City, dorthin, wo die Menschen arbeiten, einkaufen und flanieren, hat neue Bewegung in herkömmliche Veranstaltungsstrukturen gebracht - und Hamburg hat es vorgemacht. Marathon, Triathlon und Cyclassics, Events für Spitzensportler und jedermänner sind sportliche Exportschlager geworden. Selbst bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking sprachen Funktionäre der Weltverbände mit Hochachtung vom "Hamburger Modell".

Den Trend haben Hamburgs Politik und Verwaltung nach zahlreichen internen Richtungskämpfen akzeptiert. Genehmigungshürden wurden abgebaut, Werbeverbote an Alster und Rathausmarkt gelockert, Kaufleute und Kritiker überzeugt. Die Aufregung über Straßensperrungen hat sich gelegt. Sie war verständlich, als vor zwei Jahren die Innenstadt an mehreren Wochenenden in Folge nicht zugänglich war. Heute sind die Termine entzerrt.

Die vorübergehende Vertreibung des Sports aus dem Zentrum hatte in Hamburg nach dem Ersten Weltkrieg eingesetzt, als immer mehr Spiel- und Sportstätten in die Peripherie verschwanden und die Innenstadt für Handel und Industrie geräumt wurde. Dabei steht an der Alster und in der Altstadt eine der Wiegen des europäischen Sports. Zwischen Dammtor und Steintor wurde schon im 17. Jahrhundert Fußball gespielt, die HT 16 aus Hamm, der älteste Sportverein der Welt, weihte 1817 die weltweit erste Turnhalle ein, und 1836 wurde mit dem späteren Hamburger und Germania der zweitälteste Ruderklub der Welt gegründet. "Sport in der City bedient die Sehnsüchte vieler Menschen, um sich mit ihrer Stadt identifizieren zu können - und sie ungestört von roten Ampeln und Staus zu erleben und zu genießen", sagt der Hamburger Sportsoziologe Prof. Hans-Jürgen Schulke, von 2000 bis 2005 Direktor des Amts für Sport. Auch der Sport erhalte in der fremden Umgebung ein neues Gesicht. "Er wird nicht mehr in speziellen Funktionsräumen wie einem Stadion präsentiert, sondern greift die innerstädtische Architektur als Kulisse einer modernen Arena auf. Das macht ihn einmalig."

Die wirtschaftlichen Argumente fallen nicht minder gewichtig aus. Veranstaltungen sind das Lebenselixier des modernen Tourismus, und der Hamburger Sport bietet auch dank der neuen Arenen im Volkspark immer mehr hochkarätige. Sport steht bereits in der Häufigkeit an fünfter Stelle, wenn Reisende nach der Motivation ihres Hamburg-Besuchs gefragt werden, haben die Hamburg Marketing und die Tourismus GmbH herausgefunden. Etwa 800 000 der 7,72 Millionen Übernachtungen in der Stadt im vergangenen Jahr waren direkt auf Sportveranstaltungen zurückzuführen. Rund 14 000 der 20 000 Starter des Marathons sind keine Hamburger. Ein Großteil der auswärtigen Läufer und Läuferinnen reist mit Familie, Bekannten und Verwandten an.

Städtetrips liegen im Trend, Sportereignisse bieten willkommene Anlässe. Vom touristischen Bruttoumsatz in Hamburg, 2008 rund 5,5 Milliarden Euro, profitiert der Sport mit zehn Prozent. Die Tendenz ist steigend.