Zu seinem runden Geburtstag gewährt der Kirchenmann mit Wohnsitz im Stadtteil St. Georg ein paar ganz persönliche Einblicke.

Auf persönliche Geschenke anlässlich seines 70. Geburtstags möchte Hamburgs Erzbischof Werner Thissen heute ausdrücklich verzichten. Der Tag soll dienen - dem St.-Marien-Dom an der Danziger Straße. Noch fehlen 700 000 Euro, um die Erneuerung des Gotteshauses in St. Georg bezahlen zu können. Spenden sind willkommen. Auch die Mitarbeiter der katholischen Kirche respektieren diesen Wunsch.

Die Gratulationen für den als bescheiden geltenden Geistlichen dauern den gesamten Tag über. Sie beginnen mit einem "Vormittag der offenen Tür" und klingen um 18.15 Uhr mit einem Vespergottesdienst im Mariendom aus. Die Predigt hält der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode; Grußworte sprechen Bischöfin Maria Jepsen für die Evangelische Kirche, Schleswig-Holsteins Landtagspräsident Martin Kayenburg (CDU) sowie die Ordensschwester Elisabet Kannen.

Angesagt haben sich auch Wegbegleiter aus Jugend, Universität und Berufsleben.

1938 als Sohn eines Kaufmanns in Kleve am Niederrhein geboren, studierte Thissen erst Betriebswirtschaft, später Theologie und Philosophie in Münster und München. Von 1999 bis 2003 war der bodenständige Priester als Weihbischof in Münster im Einsatz, am 22. November 2002 folgte die Berufung zum Erzbischof von Hamburg. Trotz seines Amtes, so ist es Thissens Wunsch, soll es bei der Geburtstagsfeier auch einen privaten Teil geben - zum Wochenende hin: Aus Kleve reist Thissens Schwester Magdalene an ebenso seine Nichte Susanne. Angedacht ist ein Abendessen in St. Georg. Der Geistliche schätzt Fisch, Käse und ein Glas Wein. Über weitere Vorlieben und Gedanken äußerte sich Thissen auf Bitte des Abendblatts zu folgenden Stichworten.

Adventskalender: "Gerade bekam ich mit, wie Erwachsene in einem Betrieb den Adventskalender geplündert hatten - aus Heißhunger auf Schokolade. Alle Türen waren schon offen. Warten von Tag zu Tag ist oft schwer. Aber der Adventskalender kann dabei helfen. Ich mag ihn."

Arbeitsumfeld: "Es ist zweckmäßig geprägt, inklusive Computer und Handy. Auf meinem Schreibtisch stehen Modelle eines Container- und eines Segelschiffs sowie ein kleiner Leuchtturm."

Bruder Werner: "Unter diesem Namen bin ich gelegentlich nachts im Einsatz. Zum Beispiel in der kirchlichen Teestube Sarah auf St. Pauli."

Nikolaustag: "Der Bischof Nikolaus ist einer meiner sympathischsten Kollegen. Als Kind fand ich es wunderbar, wenn der Schuh über Nacht gefüllt war mit Nüssen und getrockneten Apfelringen."

Überraschung: "Unverhofft Zeit zu haben. Für mich, für andere und mit anderen."

Kleine Freuden: "Im trüben Wetter an der Elbe laufen - und auf einmal bricht der Himmel auf!"

Finanzcrash: "Ein Riesenskandal, der deutlich macht, dass wir alle verantwortlich mit Geld umgehen müssen. Ich wünsche mir die Milliarden, die jetzt die Wirtschaft stützen, auch für den Kampf gegen Hunger und Krankheit in der Welt."

Obama: "Er wird jetzt als Heilsbringer mit vielen Hoffnungen beladen. Wenn er einige der großen Probleme lösen kann, dann ist das schon viel. Dass er als Afroamerikaner Präsident ist, spricht für die Vitalität der Vereinigten Staaten."

Schwarz-Grün: "Ist trotz Widrigkeiten ganz gut angelaufen, muss aber zulegen."

Elbphilharmonie: "Ein ambitioniertes Unternehmen, das hoffentlich die selbst gemachten Rückschläge verkraftet."

Lieblingsplatz: "In einer so schönen Stadt habe ich natürlich viele Lieblingsplätze, zum Beispiel die Laeiszhalle, unsere Katholische Akademie und das HSV-Stadion, vor allem aber unser Neuer Mariendom."

Fußballgott: "Das ist ein nicht zu ernst zu nehmendes Fantasieprodukt."

HSV oder St. Pauli : "Hamburg braucht beide, und ich kenne beide schon aus den Zeiten der Oberliga Nord. Dem HSV bin ich dankbar für die Möglichkeit, einige Spiele gemeinsam mit Jugendlichen zu besuchen."

Große Freiheit: "Wenige denken daran, dass es dabei früher um die Religionsfreiheit ging. Die Straße war die Grenze zwischen Hamburg und Altona, und in Altona durften auch Katholiken ihren Glauben leben. Also eine wichtige Straße für uns!"

"Deutschland sucht den Superstar": "Wenn das so weitergeht, müssen wir bald den suchen, der noch nicht Superstar ist."

Schulreform: "Gut gemeint, aber noch mit viel zu viel offenen Fragen."

Glühwein & Rostbratwurst: "Da läuft mir das Wasser im Mund zusammen, wenngleich sie meistens besser duften als schmecken."

HafenCity: "Ein wichtiges Projekt für Hamburg! Ich freue mich, dass wir als Kirchen dabei sind. Übermorgen wird die ökumenische Kapelle in der HafenCity eröffnet."

St. Georg: "Ein buntes Viertel, in dem ich gern wohne. Allerdings schreit es auch nach Hilfe. Morgens um fünf, wenn ich manchmal zum Zug muss, begegnet mir das heulende Elend. Aber wer sich helfen lassen will, dem kann geholfen werden."

Globalisierung: "Ob wir wollen oder nicht, die Welt wird immer mehr eine einzige, wo alle Probleme alle betreffen. Das gilt für Wirtschaft, Klima und Verkehr. Aber es muss auch für die Nächstenliebe gelten."

Kirche: "Als ich bei der Eröffnungdes Mariendoms sagte, eine Stadt ohne Kirche ist wie ein Fußballfeld ohne die beiden Tore, bekam ich viel Zustimmung. Aber auch im Religiösen wird man nicht Meister, wenn man immer nur 0:0 spielt. Jeder Gottesdienst ist ein Treffer."