Selten dürfte die Kür eines Bundestagskandidaten auf so reges Interesse in der Hauptstadt gestoßen sein.

Wenn die 90 Delegierten der SPD Eimsbüttel am heutigen Sonnabend zusammenkommen, um ihren Direktkandidaten für die Bundestagswahl zu nominieren, dann blickt auch die SPD-Bundesprominenz auf den Ort der Entscheidung: die Ida-Ehre-Gesamtschule. Selten dürfte die Kür eines SPD-Bundestagskandidaten auf so reges Interesse im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Parteizentrale, gestoßen sein.

Der Grund ist einfach: Der Eimsbüttler Bundestagsabgeordnete Niels Annen, dessen erneute Wahl lange völlig unumstritten war, hat seit gut zwei Wochen einen Gegenkandidaten: den Hamburger Juso-Chef Danial Ilkhanipour. Annen hat sich in den vier Jahren im Bundestag als feste Größe etabliert. Der 35-Jährige ist einer der führenden Vertreter des linken Parteiflügels und Vertrauter der Frontfrau der Parteilinken, der stellvertretenden SPD-Chefin Andrea Nahles.

Im parteiinternen Kräfteverhältnis der Bundes-SPD spielt Annen offensichtlich eine so wichtige Rolle, dass nicht nur Vertreter des linken Flügels seine Wahl unterstützen. Zur Wahl Annens rufen auch der frühere Bürgermeister und Harburger Bundestagsabgeordnete Hans-Ulrich Klose und der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy auf. SPD-Chef Franz Müntefering erkundigte sich immerhin bei Landschef Ingo Egloff, was in Eimsbüttel los sei.

Doch die Gegenkandidatur Ilkhanipours hat weniger durch die Tatsache als dadurch, wie sie erfolgt ist, eine Welle der Empörung ausgelöst. Erst nachdem alle Delegierten für die Wahlkreiskonferenz gewählt waren, warf der Juso seinen Hut in den Ring. Selbst in seinem eigenen Distrikt Harvestehude/Rotherbaum verschwieg Ilkhanipour seine Absichten. Während Annen bei den Distriktsmitgliedern um deren Stimmen warb und die Delegierten für die Wahlkreiskonferenz bestimmt wurden, saß Ilkhanipour schweigend dabei.

Erst am Tag darauf offenbarte er sich. Das Klima in der Eimsbüttler SPD ist seitdem vergiftet. Es gibt Distrikte wie die SPD Eidelstedt, in denen nur Ilkhanipour-Leute zu Wahlkonferenz-Delegierten gewählt worden sind. Das empört viele, weil bei der Wahl gar nicht bekannt war, dass der Juso-Chef gegen Annen antreten würde. Auch in anderen Distrikten stellte sich im Nachhinein heraus, dass Mitglieder zu Delegierten gewählt wurden, die dem Ilkhanipour-Lager zuzuordnen sind.

Die Reaktionen waren heftig: Der Eimsbüttler Kreis-Chef Jan Pörksen sprach von einer "gezielten Unterwanderungskampagne". Er warf Ilkhanipour vor, Jusos in die Eimsbüttler SPD-Distrikte geschleust zu haben, um sich so eigene Mehrheiten zu organisieren. Mindestens drei der acht SPD-Distrikte soll Ilkhanipour auf diese Weise "gekippt" haben. "Erst die Delegierten einzuspannen und dann zu erklären, dass man kandidiert, das geht nicht", befand auch SPD-Landeschef Egloff.

Die Genossen sind auch deswegen alarmiert, weil der alte Flügelstreit wieder aufzubrechen droht. Die Jusos werden dem Mitte-rechts-Flügel zugeordnet und vertreten etwa in der Agenda-2010-Politik gegensätzliche Positionen zu Annen. Letzter Höhepunkt: Ex-IG-Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller trat nach 36 Jahren aus Protest gegen die Machenschaften Ilkhanipours aus der SPD aus.

Das Abendblatt hat den beiden Kandidaten am Freitag gleichlautende Fragen vorgelegt. Annen war leider nicht bereit, sie zu beantworten. Die Entscheidung zwischen Annen und Ilkhanipour gilt als offen.