Wie fährt sich ein Auto der Zukunft? Es läuft unter Regie der Hochbahn, das Abendblatt hat es ausprobiert.

Für dieses Auto gibt es keine gedruckte Betriebsanleitung. Stattdessen müssen potenzielle Nutzer eine Stunde lang die Schulbank drücken. Jörn Lehnchen von der Daimler AG erklärt einer Handvoll Auserwählter auf dem Betriebsgelände der Hochbahn AG die Besonderheiten eines auf Wasserstoffantrieb umgerüsteten A-Klasse-Mercedes. Das Herz des Prototypen im Wert von 1,5 Millionen Euro ist eine Brennstoffzelle, die einen 68 Kilowatt starken Elektromotor mit Strom versorgt.

Zwei dieser Versuchsfahrzeuge testet die Hochbahn AG, die bereits neun Wasserstoffbusse betreibt, ein Jahr lang im Alltag. "Fahren Sie bitte immer passiv", mahnt Lehrgangsleiter Lehnchen, "denn der Wagen wird von Fußgängern oder Radfahrern oft nicht ernst genommen, weil man ihn nicht hört." Dank Elektroantrieb rollt der Pkw annähernd geräuschlos über den Asphalt.

Nach ein paar Proberunden auf dem Hummelsbüttler Bus-Betriebshof beginnt die Fahrt durch den Hamburger Stadtverkehr. Der Antrieb verstummt an jeder Ampel und verunsichert damit ungeübte Fahrer. Doch anschließendes Gasgeben erweckt das Gefährt sofort zum Leben: Der Kompressor, der die Brennstoffzelle mit ausreichend Luft versorgt, legt los, erzeugt dabei ein Geräusch, das irgendwo zwischen einer (leisen) Flugzeugturbine und (leise) heulendem Wind liegt, und das Wasserstoff-Mobil rollt los.

Mit zunehmendem Druck auf das Gaspedal steigt die Tonhöhe des technischen Singsangs. Der Mercedes nimmt Fahrt auf, ohne Verzögerungen durch Gangwechsel. Denn der Elektromotor kommt ohne Getriebe aus. Umgekehrt wird kräftig abgebremst, wenn der Fuß vom Gaspedal geht. Dann wird der Elektromotor zum Generator und speist Strom in die Batterie ein, ähnlich einem Fahrraddynamo.

Mühelos schnurrt der Mercedes über den Asphalt. Auf der Autobahn ist Tempo 140 schnell erreicht, auf diese Geschwindigkeit ist das Testfahrzeug elektronisch begrenzt. Allerdings trübt der Blick auf die sich neigende Tanknadel ein wenig das gute Fahrgefühl: Der Wasserstoff-Vorrat beschränkt sich auf 1,8 Kilogramm, verteilt auf zwei Drucktanks mit 350 bar. Knapp 1,2 Kilo Wasserstoff verbraucht das Brennstoffzellenauto auf 100 Kilometer, damit hat es eine Reichweite von 150 bis 170 Kilometer.

Wer nicht rechtzeitig auf dem Hochbahn-Betriebshof vorfährt, hat schlechte Karten. Denn hamburgweit lässt sich nur hier Wasserstoff tanken. Er wird vor Ort von Vattenfall unter Einsatz von viel Öko-strom aus Wasser gewonnen (Elektrolyse). Geht der Sprit kurz vor den Betriebstoren zur Neige, kann die Batterie noch zwei, drei Kilometer überbrücken und den Elektromotor allein antreiben. Bleibt der Wagen dagegen in weiterer Entfernung auf der Strecke, muss ein Abschleppwagen ihn Huckepack nehmen - Abschleppen per Stange oder Seil ist technisch nicht möglich.

Auch sonst haben die Prototypen der Mercedes-Klasse, von denen weltweit 60 Fahrzeuge unterwegs sind, noch einige Haken. Zum Beispiel das Parken im Winter: Die Brennstoffzelle darf nicht kälter als zwei Grad werden. Denn dann besteht die Gefahr, dass die im Zellpaket verbliebenen Wasserreste gefrieren, sich dabei ausdehnen und das Mini-Kraftwerk undicht wird. Auch deshalb ist der Passagierraum hermetisch zu den Antriebsaggregaten hin abgeriegelt, und Sensoren messen ständig, ob das leichtflüchtige, hochexplosive Gas irgendwo entweicht.

Aufwendige Elektronik macht das Brennstoffzellenauto zum rollenden Computer, der zunächst hochgefahren werden muss. Es dauert einige Momente, bis der Wagen nach dem Drehen des Zündschlüssels startbereit ist. Wer zu ungeduldig ist, dem kann es passieren, dass der Startvorgang "abstürzt", so wie es Computer am Schreibtisch gern tun. Zudem warnt Jörn Lehnchen seine Fahrschüler: "Wenn Sie irgendwo warten und dabei Radio hören wollen, lassen Sie die Brennstoffzelle laufen. Denn sonst ist die Batterie schnell entleert, und Sie können nicht mehr starten."

Die neun Busse sind den beiden Pkw ein wenig voraus, sie fahren bereits - als Testfahrzeuge - im Liniendienst der Hochbahn AG, drei von ihnen schon seit fünf Jahren. Dagegen sind die zwei Pkw in Hamburg bislang noch nicht groß herumgekommen, der Probebetrieb beginnt gerade erst.

Bis nachfolgend die ersten Serienmodelle auf Hamburgs Straßen auftauchen, dürfte noch mindestens ein Jahrzehnt vergehen. Neben technischen Problemen, etwa bei der Speicherung von Wasserstoff, sprechen die Kosten vorerst gegen eine breite Einführung. Lehnchen: "Der kanadische Hersteller der von uns verwendeten Brennstoffzellen, Ballard Power Systems, hat das Ziel, deren Kosten auf umgerechnet 750 Euro pro Kilowatt Leistung zu reduzieren." Beim Mercedes würde allein die Antriebsleistung von 68 Kilowatt einen gut 50 000 Euro teuren Zellenstapel nötig machen, den Strombedarf der Bordelektronik nicht mitgerechnet.

Um die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnik in Europa weiter voranzubringen, starteten die Europäische Kommission, führende Industrieunternehmen und Forschungsinstitute gerade gestern in Brüssel eine "gemeinsame Technologie-Initiative" (Joint Technology Initiative, JTI). Gemeinsam wollen sie eine Milliarde Euro aufbringen, damit die Zukunftstechnik möglichst bald praxisreif wird.

Die erste Tranche von gut 28 Millionen Euro ist für die Anwendung der Technik im Transportsektor, den Aufbau einer Tankstellen-Infrastruktur, die Produktion und die Lagerung von Wasserstoff vorgesehen. Denn hier besteht derzeit noch das größte Manko.

Zwar rollt das Testauto bereits anstandslos kreuz und quer durch die Stadt, wenn aber sein Tank sich leert, gibt es nur noch ein Ziel: Die Tankstation auf dem Hochbahn-Betriebshof, unterhalten durch Vattenfall, wird zur Endstation des Alltagstests - vorsichtshalber bereits nach 120 abgefahrenen Kilometern.