Ein Nachbar hatte die Polizei gerufen. Doch es gibt kaum Zeugenaussagen zu den Tätern. Waren es RAF-Sympathisanten?

Katrin Aust und ihre beiden Töchter schliefen, als die Täter mit prall gefüllten Taschen sich vor dem Haus der Familie des Ex-"Spiegel"-Chefs Stefan Aust im Hamburger Westen aufbauten. Die bislang unbekannten Personen warfen Marmeladengläser, die sie mit roter und blauer Ölfarbe gefüllt hatten, gegen das erst vor wenigen Tagen frisch geweißte Haus. Scheiben klirrten, Farbe ergoss sich auch über den Fußboden im Inneren der Villa. Die Bewohner wurden aus dem Schlaf gerissen, ein Nachbar rief die Polizei. Die Täter - sie entkamen. Für Familie Aust bleibt der Schreck in der Nacht - und ein Haus, das in Teilen verwüstet ist.

Waren es RAF-Sympathisanten, denen der Film "Der Baader-Meinhof-Komplex" - er beruht auf dem gleichnamigem Buch Austs - unliebsam ist? Die Polizei wartete gestern Abend noch auf ein mögliches Bekennerschreiben. Auch und gerade in Hamburg hat die RAF nach wie vor eine Anhängerschaft, die sich regelmäßig trifft. Durch gewalttätige oder militante Aktionen sind die späten Anhänger der Terrorgruppe jedoch bislang nicht aufgefallen. Ob die Täter aus ihren Reihen stammen oder ob es sich um Jungautonome handelt, die sich Aust als Ziel suchten, ist noch unklar. Zeugenaussagen zum Aussehen der Täter gibt es so gut wie nicht: Kaum einer hat in der Nacht zu Donnerstag etwas bemerkt. Einzig ein junger Mann, der in der Nähe der Austs wohnt, hat einen der mindestens zwei an der Tat beteiligten Personen gesehen. Für eine detaillierte Beschreibung des Farbbeutelwerfers reichten seine kurzen in der Dunkelheit gemachten Beobachtungen nicht. Einer der Täter hatte an einer Mauer gegenüber von Austs Haus zudem eine Rauchbombe gezündet.

Nur drei Minuten nachdem der Zeuge bei der Polizei angerufen hatte, waren erste Streifenwagen am Tatort. Doch vergeblich: Die Täter waren über alle Berge. Trotz Großfahndung blieben sie zunächst unentdeckt. 23 Streifenwagen schickte die Polizei ins Umfeld des Tatorts, um nach ihnen oder Spuren zu ihnen zu suchen. In der Frühe wurden S-Bahnen angehalten, um so mögliche Fluchtwege abzuschneiden. An einem S-Bahnhof nahe des Tatorts nahmen die Fahnder kurz nach der Tat drei Verdächtige fest - doch sie kamen wieder frei, weil sich der Tatverdacht nicht bestätigen ließ. Sie hatten weder Farbkleckse auf der Kleidung noch deuteten andere Spuren darauf hin, dass sie mit der Tat in Zusammenhang gebracht werden könnten. Die Staatsschutz-Abteilung hat - wie nach zahlreichen anderen Farbbeutel- und Brandanschlägen auf Häuser und Autos Prominenter - die Ermittlungen übernommen. An der Villa des Ex-"Spiegel"-Chefs begannen Handwerker gestern mit ersten Reparaturen.