Der 53-jährige ehemalige Zirkusarbeiter saß bereits mehr als zehn Jahre wegen des gleichen Delikts hinter Gittern.
Die Haare sind an den Schläfen ergraut. Der Anzug sitzt; Krawatte und das blaue, seidig schimmernde Hemd sind farblich gut abgestimmt. Dazu der offene, entspannt wirkende Gesichtsausdruck, die selbstbewusste Haltung. Der Mann könnte als Sachbearbeiter durchgehen oder als einer aus der Versicherungsbranche. Vorbei die Zeiten, als er mit lockiger Mähne und markigen Posen Eindruck schinden wollte. Doch das ist nur die Optik. Ansonsten scheint alles so wie früher. Damals, als sie Hans-Joachim "Joe" Marx in Kiez-Kreisen noch ehrfurchtsvoll den "Koks-König" nannten. Wegen Handelns und Einführens der weißen Droge steht Marx seit gestern vor dem Landgericht. Insgesamt geht es um rund 21 Kilogramm. Eine üppige Menge, doch in der düsteren Karriere des 53-Jährigen vom Zirkusarbeiter zum Zuhälter und schließlich zum Dealer nicht ungewöhnlich viel. Vor zwölf Jahren stand er wegen Handelns mit 100 Kilogramm Kokain vor Gericht, wurde am Ende zu zehn Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Fast zwei Jahre dauerte der Prozess seinerzeit, Marx hatte die Richter mit 600 Seiten Beweisanträgen bombardiert, dann legte er überraschend nach 100 Verhandlungstagen ein Geständnis ab. Ein Signal, dass es jetzt ähnlich lange dauern könnte? Vorerst ist der Prozess auf 22 Tage bis Anfang Oktober terminiert.
Im Einzelnen wirft die Staatsanwaltschaft dem 53-Jährigen vor, zunächst eine Lieferung von mindestens zehn Kilogramm Kokain aus Südamerika nach Deutschland organisiert zu haben. Später soll er gemeinsam mit einem Komplizen versucht haben, neun Kilo nach Hamburg zu schmuggeln. Doch diese Pläne gaben sie laut Anklage "wegen des zu hohen Risikos auf". Zuletzt schmuggelten sie zwei Kilogramm Kokain in einem Hohlraum eines aus Edelstahl gefertigten Schiffsmaschinenteils von Südamerika zunächst nach Frankreich und dann mit dem Zug nach Deutschland, heißt es in der Anklage. Bei der Übergabe des "Schnees" wurden sie festgenommen. Neben Marx und seinem mutmaßlichen Komplizen Stefan R. (37) sitzen noch Skhelqim T. (33) und Andrea V. (44) auf der Anklagebank. Sie sollen Beihilfe geleistet haben.
Insgesamt 21 Kilogramm Kokain - das könnte für die Höchststrafe von 15 Jahren reichen. Nach mehreren vorangegangenen Verurteilungen wegen Drogenhandels, nach zuletzt rund zehn Jahren im Knast. Die hatte er wegen des 100-Kilogramm-Deals verbüßt. Noch während er wegen eines anderen Kokainhandels eine siebenjährige Gefängnisstrafe absaß, hatte er im Jahr 1991 herumerzählt, er wolle "den großen Deal abziehen". Um an die Hintermänner dieses Geschäfts zu kommen, entließen ihn die Behörden vorzeitig aus der Haft. "Bald wird es in Hamburg schneien, und zwar im Sommer", hatte Marx gegenüber Bekannten getönt. Und flugs mit Drogenverhandlungen begonnen - allerdings unter den Augen den Ermittlungsbehörden, die ihn observierten. Bis er ihnen entwischte, als er sich überraschend nach Kolumbien absetzte. Dort führte er zunächst ein bürgerliches Leben, heiratete und wurde Vater zweier Kinder. Als der "Koks-König" seine Verbindungen wieder aufleben ließ, wurde er 1995 in Kolumbien verhaftet, nach Deutschland abgeschoben und verurteilt.
Im Gefängnis entwickelte der "Koks-König" ehrgeizige Pläne. Er paukte Spanisch und peilte eine Karriere als Schauspieler an. Sein Leben solle verfilmt werden, überlegte er, natürlich mit ihm in der Hauptrolle. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.