Bisher gab es nur Schätzungen, jetzt liegen erstmals konkrete Zahlen zu Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigungen von Kindern in Hamburg vor.

Bisher gab es nur Schätzungen, jetzt liegen erstmals konkrete Zahlen zu Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigungen von Kindern in Hamburg vor. Wie das Abendblatt bereits im Vorfeld berichtete, hat das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) eine Studie zu dem Thema erstellt. Das Ergebnis: Von März 2007 bis Februar 2008 wurden im "Kompetenzzentrum für die Untersuchung von Kindern bei Verdacht auf Vernachlässigung, Kindesmisshandlung und sexuellen Missbrauch" am UKE 172 Kinder untersucht - bei mehr als der Hälfte der Fälle bestätigte sich der Verdacht.

"Wichtig ist, dass Spuren von Gewalt, Vernachlässigung und sexuellen Übergriffen zum frühest möglichen Zeitpunkt von einer kompetenten, unabhängigen Instanz kommentiert und bewertet werden", sagt Professor Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am UKE und Initiator des Projekts. Anfang 2006 wurde das "Kinder-Kompt" von allen mit Kindern arbeitenden Kliniken des UKE gegründet - als "bundesweit einzige Einrichtung, in der Rechtsmediziner und Kinderärzte zum Schutz der Kleinsten Hand in Hand arbeiten", so Professor Jörg Debatin, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKE. Ziel ist es, ein niedrigschwelliges Angebot zu schaffen, an das sich Polizei, Jugendamt, Eltern und Erzieher bei Verdachtsfällen wenden können, um dort Kinder untersuchen lassen zu können. Die 172 untersuchten Kinder waren zwischen fünf Wochen und 14 Jahren alt. 96 von ihnen waren Mädchen und 76 Jungen.

Bei den meisten Kindern lagen mehrere Verdachtsmomente vor. In den meisten Fällen (115) bestand der Verdacht auf körperliche Misshandlung. In fünf Fällen ging es um seelische Misshandlung, in 25 Fällen um körperliche Vernachlässigung und in 50 Fällen um sexuellen Missbrauch.

Das Ergebnis: In 29 von 172 Fällen hat sich der Verdacht uneingeschränkt bestätigt, in weiteren 59 Fällen konnte er teilweise bestätigt werden. In 51 Fällen konnte der Verdacht aufgrund der Untersuchungsergebnisse weder nachgewiesen noch ausgeschlossen werden.

"Gerade im Bereich von Gewalt und Missbrauch an Kindern ist die Dunkelziffer enorm groß. Die Studie liefert uns wichtige Hinweise über mögliche Risikofaktoren", so Kinderärztin Dr. Henrike Kurth, die die Studie begleitet hat.

Die neue Staatsrätin der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, Angelika Kempfert, sagte dem Projekt finanzielle Unterstützung zu. Bisher wird es vom Verein "Hamburg macht Kinder gesund" finanziert. "Um Kinder noch besser zu schützen und um Misshandlungen frühzeitig entgegenwirken zu können, müssen wir die Ursachen kennen. Das Kinder-Kompetenzzentrum leistet einen wichtigen Beitrag zum Erkennen und Beurteilen von Kindeswohlgefährdung", sagte sie.