2007 kaufte Klausmartin Kretschmer (Rote Flora) das denkmalgeschützte Gebäude. Hier sollen künftig Kinder ab einem Jahr bis zum Abitur lernen.
Gut fünf Jahre ist es her, dass im alten Krematorium am Ohlsdorfer Friedhof die Lichter ausgingen. Wo vor 75 Jahren die letzte Einäscherung vorgenommen wurde und dann nach langem Leerstand bis 2002 die Restaurants Alsterpalais und Scala Nova für einige Jahre residierten, soll nun etwas ganz Neues entstehen: eine Bildungseinrichtung für Kinder. Im vergangenen Jahr kaufte Kulturinvestor Klausmartin Kretschmer (Rote Flora, Oberhafen-Kantine) das 800 Quadratmeter große, denkmalgeschützte Gebäude mit rund 7000 Quadratmeter Grundstück für einen siebenstelligen Betrag von der vhw (Vereinigte Hamburger Wohnungsbaugenossenschaft). "Als ich das Krematorium das erste Mal sah, wirkte es auf mich wie ein Märchenschloss", so Kretschmer. Sofort habe er an Kinder gedacht. Wenig später trat er mit den Kita-Betreibern Jörg Brettschneider und dessen Frau in Kontakt. Gemeinsam wurde die Idee für die Flachsland-Zukunftsschule geboren. Die Frage, ob man in einem ehemaligen Krematorium eine Bildungseinrichtung für Kinder eröffnen darf, haben sich die Organisatoren im vergangenen Jahr nicht nur einmal gestellt. Mittlerweile sind sie überzeugt: "Das kann man sogar sehr gut!" Jörg Brettschneider: "Es ist wichtig, den Kindern einen natürlichen, gesunden Umgang mit Themen des Alltags zu ermöglichen. Dazu gehört auch das Thema Tod."
Er und seine Frau werden deshalb im Spätsommer die Flachsland- Zukunftsschule in Alsterdorf eröffnen. Das Besondere an dieser Bildungseinrichtung - abgesehen von dem ungewöhnlichen Ort: Kinder ab einem Jahr starten in der bilingualen Kita und wechseln dann später in den ganztägigen, ebenfalls zweisprachigen Schulbetrieb. Wenn sie wollen, machen die Jugendlichen also dort Abitur, wo sie einst das Laufen lernten.
Ein unkonventionelles, aber substanzielles Pionierprojekt: Seit mehr als 15 Jahren beschäftigen sich Jörg Brettschneider und seine Frau Ursula mit frühkindlicher Bildung und Pädagogik. Ihr Verein Kinderwelt betreibt 16 überwiegend bilinguale Kindertagesstätten in Hamburg, mit rund 1000 Betreuungsplätzen. Die zugrunde liegende Philosophie entspricht einer humanistischen Weltanschauung - Kinder sollen von Beginn an mit Respekt behandelt und ihren Fähigkeiten entsprechend gefördert werden. Nur wer Freude daran hat, wird lernen. "Wir wollen herausfordern, aber nicht unter Druck setzen", so Ursula Smischliaew. Für sie und ihren Mann war es eine logische Konsequenz, das Bildungskonzept nun auch auf die Schule zu übertragen. Das Rahmenkonzept verknüpfe unterschiedliche Traditionen der Reformpädagogik mit aktuellen Ergebnissen aus der Hirn- und Lernforschung. "Die Kinder sollen nicht einfach Wissen anhäufen und dann bei Bedarf ausschütten, sondern ihren Begabungen entsprechend mit Lust lernen", so die Pädagogin. Dazu gehören altersübergreifende Lerngruppen und Projekte wie beispielsweise ein eigener Fahrradladen, in dem praxisnah Rechnen oder Handwerken geübt werden. Als Voraussetzung für das Vorhaben hat die Schulbehörde Brettschneider und Smischliaew bereits "das besondere pädagogische Interesse" an dem Konzept bescheinigt. Kita und Grundschule starten im September dieses Jahres, wenn der Umbau des Gebäudes abgeschlossen ist. Die weiterführende Schule planmäßig 2010. Die Betreiber rechnen mit einem monatlichen Schulgeld von 180 Euro, für das es auch Stipendien geben wird. Bei voller Auslastung sollen 120 Schulkinder und 60 Krippen- und Elementarkinder Platz finden. Da die Bildungsbehörde erst rückwirkend einen Teil der Kosten erstattet, müssen Jörg Brettschneider und Ursula Smischliaew die ersten Jahre aus eigener Kraft und mithilfe von Banken und Sponsoren finanzieren. Rund 500 000 Euro, also knapp die Hälfte, fehlen noch. Jörg Brettschneider und Ursula Smischliaew sind zuversichtlich, das Geld zusammenzubekommen. Für ihr ungewöhnliches Projekt mit Zukunft, an einem Ort mit ungewöhnlicher Vergangenheit.
Infos unter
www.kinderwelt-hamburg.de
und
www.flachsland-hamburg.de