Sexshops und Stundenhotels verschwinden zunehmend. Stattdessen entstehen jetzt Hotels, Wohnungen und Büros.
Die Lange Reihe hat schon hinter sich, worauf der Steindamm noch hofft. Die Verwandlung von der Schmuddel-Straße hinterm Hauptbahnhof in ein Szenequartier. "Multikulti-Viertel" würde auch schon reichen, wenn es nach Quartiersmanager Wolfgang Schüler geht. Der Trend ist eindeutig, der Steindamm verändert sich. Stundenhotels verschwinden, Sexshops ziehen um und verkleinern ihre Ladenfläche, Baugesellschaften investieren Millionenbeträge, Bürogebäude werden errichtet und neue Hotels eröffnet.
"Sex, Drogen und Kriminalität am Steindamm sollen in ein, zwei Jahren der Vergangenheit angehören", hofft der Quartiersmanager. Seine Stelle wird von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit und der Interessengemeinschaft Steindamm e.V. finanziert. Beim Gang über den Steindamm zeigt Schüler, worauf er besonders stolz ist. Dass die Hochschule für Angewandte Wissenschaften in zwei der ehemaligen Philips-Gebäude Steindamm/Ecke Lindenstraße zieht, das neu eröffnete Vier-Sterne-Arcotel, die riesige Baugrube auf dem Gelände des ehemaligen "Horrorhauses", sogar auf zwei chinesische Restaurants, die demnächst am Steindamm eröffnen sollen, ist er stolz. Eines wird ganz deutlich bei seinem Rundgang, nicht nur die Gebäude und deren Nutzung am Steindamm werden sich verändern, auch die Anwohner, die Besucher, denen die Straße bisher gewisse Freiheiten bot. "Wir werden hier 1200 Studenten mehr am Steindamm haben durch die Erweiterung der Hochschule", betont Schüler immer wieder. Dazu kommen die Büroleute und die internationalen Hotelgäste. Das alles brauche eine Infrastruktur und entsprechende Einkaufsmöglichkeiten. Prostituierte und Drogendealer, wie man sie jetzt noch vor allem im oberen Abschnitt, von der Stralsunder Straße bis zum Hauptbahnhof,sieht, störten diese Entwicklung nur. "Manche Leute werfen mir die Yuppisierung des Steindamms vor", sagt Wolfgang Schüler. Leider werde es so weit wohl nicht kommen, sagt er, aber "für mich ist das kein Vorwurf, sondern ein Kompliment". Prostitution ist in Hamburg eigentlich nur an der Reeperbahn erlaubt, und so sieht man inzwischen am Steindamm auch mehr Polizisten, "Sheriffs", wie sie Schüler nennt. Die Prostituierten haben sich gegen die Kontrollen inzwischen mit Einkaufstüten gewappnet. Werden sie von der Polizei angesprochen, können sie immer sagen, dass sie gerade einkaufen gehen.
Lange Jahre war das ehemalige DAK-Gebäude, das Horrorhaus, am Berliner Tor ein Schandfleck in der Stadt, ein Ort für Drogenabhängige, Prostituierte und ihre Freier, Schlafplatz für Obdachlose. Jetzt entsteht dort das größte Hotel der Kette Motel One in Deutschland, 20 Geschosse soll es haben - daneben ein Bürogebäude, im Erdgeschoss Läden - und noch einmal 63 neue Wohnungen sollen gebaut werden.
Einer, der ebenfalls wie Schüler an den Steindamm glaubt, ist Christian Hochstetter, Direktor des vor einem halben Jahr eröffneten Vier-Sterne-Hotels Arcotel. Das Hotel wurde auf dem Grundstück gebaut, wo früher das Scientology-Haus stand. "Die Wahl des Standorts war bewusst, wir wollten von dem Aufschwung von St. Georg profitieren", sagt Hochstetter. "Wir denken, es wird hier so wie an der Langen Reihe." Die meisten Gäste buchen das Hotel, weil es mitten in der City liegt. Teilweise seien die Gäste aber schon noch geschockt, wenn sie den Steindamm weiter hoch in Richtung Hauptbahnhof gingen. Und Hochstetter findet die Klientel dort auch so problematisch, dass in den Abendstunden der Dienstplan des Hotels so ausgelegt ist, dass nur männliches Personal arbeitet. Außerdem ist der ganze öffentliche Hotelbereich mit Kameras versehen. "Es ist eine Vorsichtsmaßnahme. Trotzdem fühlen wir uns am Steindamm wie Pioniere." Mehr Anerkennung für diese Pionierarbeit hätte sich Hochstetter allerdings vom Bezirk Mitte erhofft. "Unserer Einladung zur Eröffnung ist der Bezirksamtsleiter nicht gefolgt. Das fand ich sehr schade."
Hochstetter ist Mitglied in der Interessengemeinschaft Steindamm. Gemeinsam mit dem Quartiersmanagement will man auf die Geschäftsleute am Steindamm hinwirken, ihr Angebot der künftigen oder erhofften Kundschaft anzupassen. Im Klartext heißt das, weniger Döner- und Gemüseläden, vielleicht hier und da mal ein Cafe, eine Drogerie und vor allem weniger Sexshops. Wo jetzt vor ein paar Monaten der Discounter Penny eröffnete, verkaufte vor Kurzem noch World of Sex seine Waren. Die Sexshop-Filiale ist zwar nicht ganz vom Steindamm verschwunden, hat aber in einem kleineren Geschäft eröffnet. "Auch bei den Vermietern findet ein Umdenken statt. In diesem Fall hat der Eigentümer bewusst den Mietvertrag nicht verlängert", sagt Quartiersmananger Schüler.
Zudem sollen drei Stundenhotels geschlossen worden sein.
Trotzdem, schaut man gerade auf den oberen Teil des Steindamms, fallen einem noch einige "Baustellen" auf. Das geschlossene Hansa-Theater, das voll betriebsfähig wäre, aber ein Streit zwischen dem Besitzer und der Stadt Hamburg führt hier zum Betriebsstillstand, oder das als "Klockmann"-Haus bekannte mehrstöckige Gebäude direkt am Steintorplatz. Es steht seit Jahren leer, ist zum Spekulationsobjekt der Inhaber geworden. Es gibt also noch viel zu tun am Steindamm.