Mutter Jessica W. kann den Tod ihres Jungen nicht überwinden. Sie hofft, dass sie nach der Verhandlung abschließen kann.

Es sind zwiespältige Gefühle, mit denen Jessica W. (29) an den 21. April denkt. In genau sechs Wochen beginnt vor dem Amtsgericht Wandsbek der Prozess gegen die 49 Jahre alte Ärztin des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift, die ihrem Sohn Franjo im August 2006 eine tödliche Dosis Glukoselösung injizierte. "Auf der einen Seite freue ich mich, dass ich dann endlich damit abschließen kann", sagt sie. "Aber andererseits habe ich riesige Beklemmungen bei der Vorstellung, die Ärzte und Krankenschwestern im Gericht wiederzusehen."

Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung. So soll die Ärztin dem damals vier Jahre alten Franjo 500 Milliliter der 40-prozentigen Glukoselösung verabreicht haben, ohne sicherzustellen, dass dies nur "kurze Zeit" geschehe. Innerhalb einer Stunde habe der Junge, der sich nach einer Vorhautoperation übergeben hatte, den gesamten Flascheninhalt injiziert bekommen. Er erlitt dadurch irreparable Hirnschwellungen, fiel ins Koma und starb vier Tage darauf.

"Ich kann einfach meinen Frieden nicht machen", sagt Jessica W. Die gelernte Arzthelferin kann nicht verstehen, dass eine Ärztin die Dosis zu hoch ansetzte. "Natürlich machen Menschen Fehler, aber dieser war so offensichtlich." Eine Entschuldigung könne sie nicht akzeptieren. "Es ist etwas anderes, sein Kind durch einen Unfall oder ein Verbrechen zu verlieren. Aber der Tod von Franjo war vermeidbar", so ihre Anklage.

Kann es eine gerechte Strafe geben? "Gefängnis wäre gerecht", sagt Jessica W. Dass das Urteil gegen die seit eineinhalb Jahren freigestellte Ärztin so kaum lauten wird, wisse sie. "Aber ich möchte, dass sie ihre Approbation verliert und nie wieder Patienten behandelt." Und: "Ich weiß, dass sie sich bestimmt große Vorwürfe macht. Aber ich habe mein Kind verloren. Das kann mir niemand wieder zurückgeben."

Vor zwei Monaten aber kam doch das Glück zurück in ihr Leben. Tim-Luca wurde geboren - ein Wunschkind von ihr und ihrem Mann Marco W. (20). "Mein Sohn ist kein Ersatz für Franjo. Ich habe mich aber sehr bewusst dazu entschieden, weil ich noch einmal erleben will, wie ein Kind aufwächst, es in den Kindergarten geht oder eingeschult wird." All das hat sie schon mit ihrer bald elf Jahre alten Tochter Sophie erlebt. Bei Franjo blieb ihr das verwehrt.

Franjos Tod habe eine große Leere hinterlassen. Diese Leere kommt auch in ihrer Barmbeker Wohnung zum Ausdruck. Im Wohnzimmer hängt ein großer Bilderrahmen. Er ist noch in Folie eingewickelt. "Ich könnte es nicht ertragen, ein Foto von meinem verstorbenen Sohn dort aufzuhängen. Vielleicht erst nach dem Prozess."

Jessica W. hofft, dass alle Umstände dabei geklärt werden. "Ich kam mir in der Klinik so hilflos vor. Ich wurde in meiner Angst um Franjo von so vielen Leuten dort ignoriert." Sie selbst wird als Nebenklägerin auftreten. "Ich möchte, dass die Ärztin mich sieht. Aber mit ihr sprechen - das kann ich nicht."