In einer eindringlichen Rede erinnerte Steffi Wittenberg an den Holocaust und Schicksale der vor 66 Jahren verschleppten Verwandten.

Moorweidenstraße, Platz der jüdischen Deportierten, es ist kurz nach vier Uhr am Donnerstagnachmittag. Knapp einhundert Menschen haben sich hier versammelt, um der Rede zuzuhören, die Steffi Wittenberg (81) für diese Stunde vorbereitet hat. Die alte Dame erinnert in einfachen, klaren, eindringlichen Worten an das Schicksal ihrer Tanten Marta Markus und Emma Hinrichs. Beide wurden auf den Tag genau vor 66 Jahren, am 25. Oktober 1941, mit ihrem Onkel Siegfried Marcus mit dem ersten Deportationszug aus Hamburg ins Getto Litzmannstadt/Lodz verbracht, wo sie später umkamen. "Sie mussten ihre Wohnungen Kielortallee 16, Eppendorfer Landstraße 46 und Isestraße 86 abschließen, Listen über zurückgelassene Güter anfertigen und ihre Schlüssel und die Aufstellung bei der Polizei abgeben, bevor sie die Provinzialloge an der Moorweidenstraße mit ihren gepackten Koffern betraten", trägt Wittenberg mit fester Stimme das auch Jahrzehnte später immer noch Unfassbare vor. Sie selbst hatte noch 1939 mit ihren Eltern als eine der Letzten das Land verlassen können - die Visa nach Uruguay retteten ihnen das Leben.

An der Moorweidenstraße trafen ihre Verwandten auf mehr als 1000 Mitbürger jüdischen Glaubens, die auch zur "Evakuierung" aufgefordert worden waren. Mit diesem Wort verschleierte das Regime die Deportation der Juden in den Tod.

"Die Koffer wurden von der SS und Gestapo kontrolliert, alles Wertvolle, was immer sie noch an warmen Sachen, vielleicht noch an Pelzen oder auch nur Bonbons hatten, wurde ihnen weggenommen", sagte Wittenberg. Danach mussten die 1034 Hamburger, deren Namen gestern allesamt und erstmals als Zeichen des Gedenkens verlesen wurden, in Lastwagen steigen, die sie zum Hannöverschen Bahnhof am Lohseplatz beförderten. Er diente als Deportationsbahnhof für fast alle Transporte aus der Hansestadt. Hier warteten Waggons der Reichsbahn, die sie schließlich nach Lodz fuhren.

Verantwortlich für das Verbrechen war der Hamburger NSDAP-Gauleiter Karl Kaufmann, der nach einem schweren Luftangriff auf die Hansestadt im September 1941 an Adolf Hitler mit der Bitte herangetreten war, "die Juden evakuieren zu lassen", um, wie er vorgab, die sogenannten "Judenwohnungen" an Ausgebombte zu vergeben. Der ersten Deportation folgten 16 weitere - nach Minsk, Theresienstadt, Riga, Auschwitz. Für viele Hamburger waren es Fahrten in den Tod.

Doch Steffi Wittenberg erinnert auch an ihre Tante Gertrud, die noch am 14. Februar 1945, wenige Wochen vor Kriegsende, nach Theresienstadt abtransportiert werden sollte und von ihrem - übrigens nicht jüdischen - Buchprüfer in seinem Schrebergartenhaus versteckt wurde. Der "Anstand der Menschen", die den Opfern unter Gefährdung ihres eigenen Lebens halfen, müsse in Ehren gehalten werden, wünscht sich die Hamburgerin. Sie selbst war bereits in den Sechzigerjahren in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Wichtig sei, auch dann an die Verbrechen zu erinnern, wenn Zeitzeugen verstorben sind. Wttenbach macht sich deshalb die Forderungen der Gruppe "Deportationen/11 000 Kinder" zu eigen, die für ein Mahnmal im Hauptbahnhof streitet.