Angeklagte Monika K. hatte ihr Neugeborenes vom Balkon geworfen. Sie nahm das Urteil gefasst entgegen.

Sie blickt nicht ein einziges Mal hoch, als der Vorsitzende Richter Claus Rabe das Urteil verkündet. Monika K. (27) sitzt ruhig auf ihrem Stuhl im Gerichtssaal. Der Richter verurteilt die Angeklagte, die ihr neugeborenes Kind vor sechs Monaten vom Balkon eines Hochhauses in Osdorf geworfen hatte, zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Totschlags in einem minder schweren Fall und wegen falscher Verdächtigung.

Damit liegt das Urteil des Landgerichts deutlich über der Forderung des Staatsanwalts, der drei Jahre und zwei Monate verlangt hatte.

Wie gewohnt, hat Monika K. ihre dunklen Haare mit einem bunten Band zurückgebunden. Zur Urteilsverkündung trägt sie eine weiße Bluse mit einer schwarzen Strickjacke. Heute wirkt sie ruhiger, die Beine wippen kaum. Es scheint, als hätte die junge Frau alle Tränen geweint, die sie zu weinen hatte. Sie wirkt gefasst, bereit, ihre Strafe anzunehmen. Nach der Verkündung des Schlussvortrags ihrer Verteidigerin am Tag zuvor hatte die gläubige Katholikin gesagt, eine Strafe sei für sie wie eine "Selbstreinigung". Und: "Ich habe selbst das kleine Glück in meinem Leben zerstört, für meine Tat gibt es keine Entschuldigung."

So sah es auch das Gericht. "Wie kann eine Mutter ihr Neugeborenes in eine Tüte stopfen und herunterwerfen?", fragte Richter Rabe und zeichnete in der Urteilsverlesung das Bild einer jungen Frau, die in einem Akt der Verzweiflung und des Alleingelassenseins gehandelt hat.

Als die junge Frau schwanger wurde, verbarg sie ihren Zustand. Keiner sollte es wissen, nicht der Freund, nicht die Familie in Polen. Dort wollte sie das Kind auf die Welt bringen. Doch das Baby kam früher als erwartet. Sie gebar es in der Wohnung in Osdorf, hockend über der Toilette. Sie geriet in Panik und tötete das Mädchen - in einem "seelischen und körperlichen Ausnahmezustand", den ihr auch ein psychiatrischer Gutachter attestierte. Die Ursache dafür sieht das Gericht in der Beziehung zu ihrem Ex-Freund Hismet K. Der Richter: "Bis zuletzt liebte die Angeklagte den 23-Jährigen, der sich nur in Spielhallen herumtrieb und sie allein ließ. Bis zuletzt hatte sie die Hoffnung, dass sich die Partnerschaft zu Hismet K. verbessert - eine Beziehung, die diesen Namen nicht verdient." Der Vater des Kindes sei der "moralisch Schuldige" in diesem Fall.

Das Gericht warf der Angeklagten unter anderem aber auch vor, Hilfsangebote nicht angenommen zu haben. "Die Arbeitgeberin erzählte ihr von der Babyklappe. Aber Monika K. hat den Kopf in den Sand gesteckt." Dass sie ihren Ex-Freund beschuldigte, das Baby vom Balkon geworfen zu haben, sei ein Akt der Rache gewesen, "wenn auch menschlich verständlich".

Positiv wertete das Gericht, dass die Angeklagte ein Geständnis abgelegt hat, "das ihr sehr schwer gefallen ist. Frau K. empfindet eine tiefe Reue", so Rabe.

Am Ende spricht der Vorsitzende Richter Monika K. noch einmal persönlich an und weist sie darauf hin, dass sie in Revision gehen kann. Für Bruchteile von Sekunden haben die beiden Augenkontakt - das einzige Mal an diesem Tag.