In den frühen Morgenstunden spinnen sie ihre Fäden. Zwischen Zweigen und Blättern entstehen Kunstwerke von erstaunlicher Präzision und Ästhetik, die in dem tief stehenden Licht der Sonne funkeln. Eifrig wird gewebt: erst das äußere Rahmensystem, dann etwa 30 Speichen, die mithilfe der Vorderbeine als Winkelmessung gleichmäßig verlegt werden.

Nach ungefähr 40 Minuten ist die Arbeit getan, und die dicke Kreuzspinne ruht sich kopfunter in der Mitte ihres Netzes aus. Nun wartet sie, dass es Tag wird und herumschwirrende Insekten ihr in die Falle gehen.

Doch häufig war all die Mühe umsonst. Zumindest dann, wenn die Spinne den Ort ihres Netzbaus falsch gewählt hat: Vor Hauseingängen, an Gartenpforten oder in der Garage sind die großen Radnetze lästig und werden schnell zerstört. Es scheint, als würden in diesen Tagen ganz besonders viele Spinnen auf ihre Beute lauern: Kaum verlässt man morgens das Haus, kleben einem die Fäden im Gesicht. Überall haben die Achtbeiner ihre Fallen gespannt, nirgends ist man vor ihnen sicher.

Doch gibt es zurzeit wirklich mehr Spinnen als üblich? "Nein, wir nehmen sie nur stärker wahr", meint Prof. Jutta Schneider, Spinnenexpertin an der Universität Hamburg. Sie erklärt, warum wir den Tieren gerade jetzt so häufig ins Netz gehen: "Viele Arten schlüpfen im Frühling, sobald es warm wird. In den Sommermonaten fressen sie sich voll und werden immer größer. Mit ihnen wachsen auch die Netze, die sie nun nicht mehr versteckt in der Hecke sondern zwischen größeren Ästen spannen."

Jede auffallende Körperzunahme ist bei Spinnen mit einer Häutung verbunden. Alle paar Wochen streifen sie ihre alte Haut ab - solange, bis sie ausgewachsen sind. Vor allem die Weibchen, die ab August Eier mit sich tragen, bevor sie sie in Kokons verpacken, werden besonders fett.

Wer die Schönheit der Spinnen bislang noch nicht erkannt hat und auf die achtbeinigen Untermieter verzichten will, sollte tunlichst Fenster und Türen geschlossen halten und beim Lüften das Licht ausschalten. Sonst huschen die hungrigen Spinnen auf ihrer Suche nach Insekten schneller ins Haus, als man denkt.