Hamburg persönlich
Zwischen "ihren" 34 Kindern fällt sie kaum auf. Zierlich, fröhlich und so jugendlich frisch ist sie, als würde sie selbst täglich an der Ballettstange trainieren. "Nee, mit Tanzen habe ich nix am Hut, eher mit Reiten, Joggen und Rückenkrafttraining", sagt Ulrike Oergel (41). Zusammen mit Hilke Petersen leitet sie John Neumeiers Ballett-Internat an der Caspar-Voght-Straße, ist quasi die Hausmutter der jungen Menschen, die hier in einem Wohntrakt während ihrer Ausbildungszeit an der Ballettschule von John Neumeier leben.
"Seit 17 Jahren bin ich mit voller Überzeugung dabei, lebe diese Arbeit aus ganzem Herzen", sagt die ausgebildete Pädagogin aus den Vier- und Marschlanden. Sie ist bei Proben, Gastspielen und Auftritten der ruhende Pol und Betreuerin der Eleven im Hintergrund. Betreuung heißt für sie: Ansprechpartnerin für Themen wie Ärzte und Schule, aber auch Heimweh und Liebeskummer und die tägliche Motivation für die Ballettausbildung. "Die Kinder wissen schon im erstaunlich frühen Alter, warum sie hier sind, und sie sind extrem diszipliniert. Ihr Ziel heißt tanzen, tanzen, tanzen und das mit vollster Hingabe. Aber sie müssen auch eine normale Schulausbildung haben und Freundschaften pflegen", sagt Ulrike Oergel.
60 Prozent der John Neumeier Ballett-Compagnie stammt aus seiner Ballettkaderschmiede, ein großer Teil ist im Ballettinternat aufgewachsen. Erfolgreiche Tänzer wie Alexandre Riabko, Ivan Urban, Yohan Stegli oder Silvia Azzoni und Catherine Dumont haben hier ihre Ausbildungszeit verbracht, gehören heute zu den ersten Solisten im Ensemble. "Mit vielen hier habe ich enge Freundschaften geschlossen. Ich selbst habe keine Familie, weil es sich nicht ergeben hat. Aber die Kinder hier sind irgendwie auch meine Kinder", sagt Ulrike Oergel.