“Texas Lightning“ − fünf Hamburger beim Eurovision Song Contest.

Drei Grimme-Preise, aber keine Allüren: Der Mann ist Profi. Komödiant mit Leib und Seele. Vollblutmusiker. Olli Dittrich (49) hat alle Höhen und Tiefen des Künstlerlebens durchgemacht. Er fasziniert Millionen, aber nur wenige kennen ihn. Wer versteckt sich hinter "Dittsche", dem liebenswerten Verlierer von nebenan? Am 20. Mai wird der Hamburger beim Eurovision Song Contest in Athen für Deutschland trommeln. Das Abendblatt traf ihn kurz vor der Reise bei seinem Lieblings-Italiener in Eppendorf.

Olli Dittrich tritt unspektakulär ein, ohne diesen "Ich bin ein Star, erkennst du mich?"-Blick. Er ist in Gedanken versunken. Keine Spur von dem Strahlemann am Schlagzeug - oder von "Dittsche", der so gut wie nie lacht. Dittrich lächelt. Läßt die Weingläser abräumen und trinkt Wasser.

Nur wenn "Dittsche" den Frottiermantel anzieht, in Badeschlappen und mit schmierigen Haaren durch den Hamburger TV-Imbiß schlurft, darf es Bier sein, eine "Spezialmischung" aus alkoholfreiem und Light-Bier, selbst abgefüllt. "Perlt" nicht so richtig, auch wenn "Dittsche" im Fernsehen immer genußvoll stöhnt: "Mann, das perlt . . . !"

Im wirklich wahren Leben philosophiert Dittrich am liebsten über Komik in der Musik: ",Die Doofen' waren Musical Comedy, aber Texas Lightning ist noch lange kein Klamauk, nur weil wir Musik mit Witz machen. Auch die Beatles und Robbie Williams haben musikalischen Witz."

Musik, sagt er getreu John Miles ("Music Was My First Love"), war seine "erste Liebe", berühmt zu werden sein "größter Wunsch". Schon als Kind konnte Olli Stimmen imitieren - und Heinrich Lübke nachmachen. Die Vorbilder des Multitalents (Schlagzeug, Gitarre, Piano, Gesang) heißen Elton John und Heino Jäger (). Der NDR-Mann war es, der in den 70ern mit skurrilen Radioreportagen - etwa für Hermann Hoffmanns "Kleine Dachkammermusik" - das Komiker-Herz in Olli weckte.

Jetzt überrascht der Künstler, der in den 70ern und 80ern als glückloser Popsänger und, wie er sagt, lange "mit einem angeknacksten Selbstbewußtsein durchs Leben ging", mit einem nicht alltäglichen Geständnis: Er sei heute rundum glücklich. So glücklich, daß er sich schon fast wieder dafür schäme: "Ich wache morgens auf und denke: Mensch, was für ein schönes Leben!" Sein Erfolg mit "Dittsche" ist für ihn das ganz große Glück, an dem er so lange schmieden mußte:

Mittlere Reife, Ausbildung zum Theatermaler an der Staatsoper und die erste Single: "Ich bin 18" (1977). Sie floppte ebenso wie das Popalbum "Tim: Modern Guy" (1989). Geld verdiente er damals als Packer und Produktmanager bei der Plattenfirma Polydor.

Kommerziell lief es erst rund, als Dittrich mit Wigald Boning, seinem Partner aus "RTL-Samstagnacht" ("Zwei Stühle, eine Meinung"), "Die Doofen" gründete. Olli: "Wir haben in Wort und Bild 30 Jahre Schlagerklischee parodiert." Für die millionenfach verkauften Alben "Lieder, die die Welt nicht braucht" und "Melodien für Melonen" regnete es Gold und Platin. Vom Superhit "Mief" ganz zu schweigen.

Als Außenreporter bei "Wetten, dass . . ?" blödelte Olli drei Jahre lang mit Thomas Gottschalk (und manchmal auch an ihm vorbei). Dann, im März 2000, tauchte in Dittrichs eigener ZDF-Show "Olli, Tiere, Sensationen" zum ersten Mal "Dittsche" auf. Daraus wollte Dittrich ein eigenes TV-Format machen.

Zwei Jahre lang klapperte er Sender ab - und bot "Dittsche" an, eine noch nie dagewesene "Weltidee", 30 Minuten improvisierte TV-Comedy, wie sein ebenfalls preisgekröntes "Blind Date" mit Anke Engelke. Die TV-Verantwortlichen lehnten immer wieder ab. Der WDR griff zu.

Zu Texas Lightning kam Dittrich eher zufällig, als sein Kumpel Jon Flemming Olsen (Dittsches Imbißwirt "Ingo") Ende 2004 einen neuen Schlagzeuger suchte. Olli saß in Olsens Küche und ließ sich engagieren - in der Hoffnung, "mit guten Freunden Musik zu machen, ohne die erste Geige spielen zu müssen." Heute ist Olli das prominente Zugpferd, unterhält Konzertbesucher mit Ansagen und trommelt tapfer grinsend im Hintergrund.

Der Grand Prix mache ihm keine Angst, im Gegenteil. "Das wird schön! Wir müssen uns in Athen nicht verstecken." Sagt er, und seine blauen Augen strahlen. "Man muß sich plagen, ich weiß schließlich, wofür."

Der Mann ist gereift, aber nur innerlich. Von außen betrachtet scheint er kaum zu altern - der jahrelange Verzicht auf Alkohol und Tabak macht sich bezahlt. Man sieht ihm nicht an, daß der Skorpion im November schon 50 wird. "Erschreckend, oder?"

In seiner Freizeit pendelt Dittrich, Sohn des Journalisten Kurt Dittrich, zwischen Eppendorf und Köln. Dort wohnt Freundin Annabel mit dem gemeinsamen Sohn Jonathan (5). Mehr möchte der HSV-Fan, der in Langenhorn groß wurde und zu Hause am liebsten Mozart hört, nicht über seine Familie preisgeben. Privat ist privat. "Ich muß nichts vorführen", sagt er selbstbewußt.

Sein Lebensmotto? Olli denkt ein paar Sekunden lang nach: "Den Ball flachhalten!" Das kann er, das muß er, das weiß er. Und zündet sich entspannt eine Zigarette an. Zum ersten Mal seit zehn Jahren raucht er "gelegentlich" wieder. Ein Laster braucht der Mann . . . Nur keine Allüren.


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NDR 2 sendet am Montag, 15. Mai, um 21.05 Uhr anläßlich des Grand-Prix-Auftrittes ein Radiokonzert mit Texas Lightning aus dem Grünspan von 2005. Die Countryband hatte damals gerade ihr Album "Meanwhile Back At The Ranch" mit originellen und amüsanten Country-Versionen bekannter Rock- und Pop-Klassiker - von Madonna und Prince über Lou Reed bis zu AC/DC - produziert und war damit auf Deutschlandtournee gegangen. Das Konzert im Grünspan wurde von NDR 2 präsentiert.