Eines hat Norman Paech geschafft. In den wenigen Wochen, die er Spitzenkandidat der Linkspartei ist, hat er sich einen guten Ruf erworben. Bei der jüngsten Abendblatt-Umfrage zur Beliebtheit der Spitzenkandidaten kam er auf Platz zwei. Und beim Leserurteil der "Hamburger Morgenpost" schnitt er gar von allen Kandidaten am besten ab.
Das ist nicht einmal besonders überraschend. Denn der 67jährige pensionierte Professor der Hochschule für Wirtschaft und Politik wirkt wie ein sympathischer, älterer Herr. Das weiß er - und gelegentlich kokettiert er damit. "Was will ein alter Mann wie ich eigentlich im Bundestag?" fragte er kürzlich bei einem Auftritt in Wandsbek. Die Antwort gab er selbst - mit gewohnt sanfter Stimme: "Der Sozialstaat braucht einen Hüter. Das wollen wir, das will auch ich sein."
Alle anderen Parteien wollten das Solidarsystem einreißen. "Zwischen denen gibt es doch nur noch einen Unterschied der Frisuren", sagt er. "Wir aber fordern, daß der Staat Verantwortung für Gesundheit, Bildung und Soziales übernimmt. Dazu braucht er Steuereinnahmen." Deswegen solle der Spitzensteuersatz erhöht - und eine "Luxussteuer auf Schmuck und Uhren" eingeführt werden.
Paech, der 32 Jahre SPD-Mitglied war, wegen des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr austrat und nun parteilos bleiben will, ist ein klassischer Altlinker - ein echter 68er. "Ich wurde in der Zeit des Vietnam-Krieges politisiert", sagt er. Diese Erfahrung prägte auch seine berufliche Laufbahn. Er wurde Professor für Völkerrecht und beständiger Streiter für kleinere Staaten und gegen die Weltmachtansprüche der Großen, vor allem der USA. Rot-Grün warf er vor, auf dem Balkan einen völkerrechtswidrigen Krieg geführt zu haben. Nun gibt er sich auch im Inneren als Kämpfer für die Schwachen.
Dabei hat Paech keinen Hehl daraus gemacht, daß er kein Experte für Wirtschaft und Sozialsysteme sei. Für den Wahlkampf hat er sich mit den klassischen Thesen ausgestattet. Nun spricht er von Binnennachfrage und Bürgerversicherung - und macht bei Podiumsdiskussionen eine gute Figur. Gelegentlich aber schlägt die gutmütige Gelassenheit des gebürtigen Bremerhaveners in alte 68er-Verbissenheit um. Dann spricht er davon, wie sehr die Linkspartei "gehaßt" werde, weil sie für "Steuergerechtigkeit" eintrete. Dann fordert er die "Enteignung" von Medienunternehmen, die ihm nicht genug über die Linkspartei berichten. Oder er bezeichnet die Spitzen der anderen Parteien als "Populisten, Illusionisten und Lügner".
Auf seine Person komme es bei seinem Kampf nicht an, betont Paech. Das muß man ihm wohl abnehmen. Immerhin ist er der einzige Spitzenkandidat, der nicht mit seinem Porträt auf den Plakaten wirbt - sondern mit der Zeichnung einer Kinderbuchautorin. Vielleicht ist aber auch seine Frau, eine Trickfilmerin, schuld. "Sie hat mir abgeraten", so Paech. "Sie wollte mich nicht an jedem Hamburger Baum hängen sehen."