Domplatz: Neben dem Herzstück Hamburgs gab es im 9. Jahrhundert eine Vielzahl ähnlicher Wallanlagen.

Die Hammaburg ist der Solitär in Hamburgs Krone, doch einmalig ist sie nicht: Sie liegt im Zentrum eines Gürtels von rund 50 ähnlichen Wallanlagen zwischen Dithmarschen und Mecklenburg, Ostsee und Elbe - damals Schutz- und Fluchtburgen, heute oft gut erhaltene Sehenswürdigkeiten.

Anfang des 9. Jahrhunderts zählt Nordalbingen zu den großen Krisengebieten Europas. Schon nach Ende der Völkerwanderungszeit um 700 nehmen slawische Stämme den Osten und Süden Holsteins in Besitz: In Oldenburg sitzen die Wagrier, in Ratzeburg die Polaben. Um die Schlei im Norden hausen jütisch-dänische Heiden. An der nördlichen Nordseeküste siedeln sich Friesen an, und immer wieder suchen Wikinger aus Dänemark und Norwegen an der Elbe lohnende Ziele für einen blutigen "Strandhieb".

Karl der Große hat Frankens Nordgrenze an die Eider vorgeschoben. Wichtigste Festungen sind die Kastelle Hollenstedt an der Este und Esesfleth an der Stör, heute Itzehoe. Geistlich-politischer Mittelpunkt ist die Hammaburg mit Erzbischof Ansgar. Nach dem Tod des Kaisers schwächen Diadochenkriege das Reich, und die drei nordelbischen Sachsenstämme sind auf sich selbst gestellt. Ein Gürtel aus Ringburgen mit Palisadenwällen soll sie schützen.

Die Dithmarscher bauen unter anderem die Stellerburg bei Borgholz gegen Angriffe von der Eider und die Bökelnburg in Burg gegen Einfälle von der Elbmündung her. Die Holsaten, die späteren Holsten, kontrollieren aus ihrer Hauptburg, der Kaaksburg bei Itzehoe, einen wichtigen Heerweg an der Stör. Ringwälle in Wittorf bei Neumünster, Einfeld und Borgdorf bei Rendsburg sichern weite, hindernisarme Ebenen. Andere wie die Burg bei Hitzhausen, die Ulzburg nahe der Alsterquelle und die Mellingburg an der Oberalster sperren Zufahrtswege ins Landesinnere.

Die meisten Sachsenburgen aber stehen im Osten, in Stormarn, gegen die Slawen: am "Limes Saxonie", dem "sächsischen Limes", einem über hundert Kilometer langen Festungsstreifen, den wohl noch Karl der Große selbst anlegen läßt.

"Er verlief als Ödlandzone von der heutigen Stadt Kiel nach Südosten über Bad Segeberg, begleitete den Travelauf bis Oldesloe und führte über die Billequelle bis an die Elbe in der Gegend von Lauenburg", schreibt der Vorgeschichtler K. W. Struve in einem archäologischen Führer. "Diese Grenzlinie, die natürlichen Geländeeinschnitten wie Gewässern und Niederungen folgte, scheidet noch heute im großen und ganzen sächsische und slawische Ortsnamen voneinander."

Wichtigster Stützpunkt an der Elbe ist die Ertheneburg bei Lauenburg: Noch im Hochmittelalter deckt sie eine Furt der Alten Salzstraße von Lüneburg nach Lübeck. Zeitweise residiert hier der mächtigste aller Sachsenherzöge, Heinrich der Löwe.

Die Kasseburg ein paar Kilometer nördlich liegt hinter dem Sachsenwald auf einer Viehweide an der Autobahn nach Berlin. Die Burg am Wallberg nicht weit von der Straße Sierksfelde-Koberg steht noch immer als mächtiger Hügel im Wald. Auch in Nütschau, heute Sitz eines Klosters, droht damals wohl eine sächsische Limesburg - und kaum zwei Kilometer entfernt eine slawische Gegenburg: die Alt-Fresenburg bei Oldesloe.

Die gut zwei Dutzend Slawenburgen Ostholstein bleiben bis ins 12. Jahrhundert intakt. Die meisten sächsischen Burgen dagegen werden schon im 10. Jahrhundert aufgegeben: Die Kaiser Heinrich I. und Otto der Große stellen zur Abwehr der Ungarn ein starkes Reiterheer auf. Kleine, bewegliche Einheiten dieser ersten deutschen Mittelalter-Kavallerie können auch plündernde Wikinger oder räuberische Slawen vertreiben.

Nach ihrem Untergang im Wikingersturm des Jahres 845 wird die Hammaburg nicht wieder aufgebaut. Statt ihrer schützt künftig der "Heidenwall" die Hamburger: östlich der Petrikirche sichern Palisaden von der Alster bis zur Elbe die Stadt. Die Slawen stecken Hamburg später aber trotzdem in Brand - auch davon könnten die Hammaburg-Archäologen jetzt Spuren finden.

Die Slawenburgen Ostholstein bleiben bis ins 12. Jahrhundert intakt. Die meisten sächsischen Burgen werden schon im 10. Jahrhundert aufgegeben.