Hörschäden: Lautstärke soll auf 100 Dezibel begrenzt werden. Disco-Besitzer reagieren entsetzt, Mediziner loben den Plan.

Die Hamburger Gesundheitsbehörde will den Lärmpegel bei Rockkonzerten und in Diskotheken deutlich verringern. Staatsrat Dietrich Wersich (CDU) sagte: "Hörschäden durch zu hohe Schallpegel sind nicht heilbar. Wer in jungen Jahren sein Gehör durch Disco- oder Konzertbesuche schädigt, bringt sich für den Rest seines Lebens um den Hörgenuß." Geplant ist deshalb eine Regelung, nach der die Lautstärke bei öffentlichen Veranstaltungen einen Spitzenwert von 100 Dezibel nicht überschreiten darf. "Diese Reduktion würde das Problem von Hörschäden verringern, ohne den Spaß an der Musik zu beeinträchtigen", ist Wersich überzeugt.

Hamburger Clubbetreiber reagierten entsetzt auf die Pläne der Behörde und befürchten Umsatzeinbußen. Frank Heldt, Betriebsleiter der "China-Lounge", sagte: "Wenn das durchgesetzt wird, können wir alle dichtmachen. Der größte Reiz am Tanzengehen wäre verloren. Wer zu uns kommt, möchte Musik hören, die deutlich lauter ist als im Wohnzimmer." Heldt meint, wer die Lautstärke nicht vertrage, müsse eben Ohropax einsetzen. Das mache sein Personal schließlich genauso. Auch Stephan Kolba ("Cafe Lago", "Bar Morphine") ist besorgt: "Unsere Musik erreicht bis zu 120 Dezibel. Wenn das verboten wird, können wir statt Parties nur noch Chill-Out-Veranstaltungen organsieren." Der bekannte Hamburger Discjockey Jan Schmidt-Tychsen alias "DJ Cybreak" meint: "In einer Großraumdisco mit einem Fassungsvermögen von 1000 Leuten sind 100 Dezibel nicht mehr als eine nette Hintergrundmusik. Gerade der Baß wird ab 100 Dezibel erst interessant, der bringt Vibrationen in die Beine." Verständnis für den Plan? Fehlanzeige. Dirk Mittmann vom Management der Color-Line-Arena verweist auf die Zuständigkeit der Konzertveranstalter. Aber: "Um so eine große Halle mit Musik zu füllen, da braucht man natürlich eine gewisse Stärke."

In Senator Jörg Drägers Gesundheitsbehörde ist man dennoch optimistisch, die Veranstalter zu einer freiwilligen Lautstärkebegrenzung bewegen zu können. Die betroffenen Gewerbeverbände sollen bis Ende 2006 Selbstverpflichtungen abgeben. Das sieht ein von Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern initiierter Beschluß der Gesundheitsministerkonferenz vom vergangenen Freitag vor. Kommt es zu keiner Einigung, sollen die Verantwortlichen per Gesetz zu dieser Einschränkung gezwungen werden.

Lob kommt von Medizinern. Helfried Schade, Leitender Oberarzt der HNO-Abteilung des Klinikums Nord (Heidberg), sagte: "Die Einführung einer solchen Beschallungsgrenze ist notwendig. Die Musik in Diskotheken ist häufig so laut wie ein Jumbo-Jet. Doch Lärmschäden sind sogar schon ab 85 Dezibel möglich." Ins Klinikum Nord kämen häufig junge Patienten, die nach dem Besuch von Rockkonzerten nur noch ein permanentes Piepen im Ohr haben: "Im schlimmsten Fall führen selbst einmalige Belastungen zu bleibenden Störungen. Schon jetzt hat ein Viertel aller Jugendlichen Gehörschäden wegen Lärms in Diskotheken oder durch MP3-Player."

Deshalb sei es nicht ausreichend, nur die Lautstärke bei öffentlichen Veranstaltungen zu regulieren. Die Jugendlichen müßten auch davor gewarnt werden, ihre Kopfhörer zu laut aufzudrehen. Denn das könne genauso schädlich sein.