Berlin: Seit zehn Jahren führt Altbundespräsident Richard von Weizsäcker den Vorsitz.

"Kreative Denkbilder zu wagen" - das, hat Richard von Weizsäcker einmal gesagt, sei die anregende Kraft des Bergedorfer Gesprächskreises. Der besteht seit 1961, und seitdem haben Eliten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Publizistik in 130 Debatten über Gott und die Welt geredet. Mal ging es um die Islamische Revolution, mal darum, wie eine Leistungsgesellschaft mit alten Menschen umgeht, mal um die deutsche Frage, mal die europäische Kultur am Ende des 20. Jahrhunderts. Im Bergedorfer Gesprächskreis herrschte völlige Gedankenfreiheit. Im Verzicht auf Öffentlichkeit und in dem Bewußtsein, partei- und gesellschaftspolitisch auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen, kamen einzigartige Debatten zustande, die man dank der Protokolle alle nachvollziehen kann.

1995 konnte die Körber-Stiftung dann Richard von Weizsäcker dafür gewinnen, den Vorsitz im Bergedorfer Gesprächskreis zu übernehmen, und anläßlich des Jubiläums wurde in dieser Woche eine Ausnahme gemacht: Als der Altbundespräsident am Dienstag abend im Deutschen Theater zu Berlin mit dem Historiker Fritz Stern, mit Adolf Muschg, dem Präsidenten der Akademie der Künste, und mit dem CDU-Politiker Wolfgang Schäuble über das Thema "Was ist der Westen? Europa und Amerika zwischen Hegemonie und Harmonie" redete, waren Kameras und Mikrofone zugelassen.

Wie elegant in diesem Zirkel gefochten wird, ließ sich gleich eingangs ermessen, als von Weizsäcker anregte, den überlebten Begriff Westen durch "freie Welt" zu ersetzen. Dem widersprach Muschg entschieden. Das habe, meinte der Schweizer, doch "etwas Erpresserisches"!

Und der Amerikaner Stern erinnerte von Weizsäcker genüßlich an Gandhi, der auf die Frage "Was halten Sie vom Westen?" geantwortet habe: "Es wäre eine gute Idee."

Im Folgenden erwies sich dann, daß der Bergedorfer Gesprächskreis normalerweise aus gutem Grund darauf verzichtet, aktive Politiker einzuladen. Während Muschg, Stern und von Weizsäcker ihr Unbehagen an der Bush-Regierung eindeutig benannten - "Insularität", "Fundamentalismus", "Einführung eines Feindstrafrechts" - beschwor Schäuble die gemeinsamen Werte und Interessen. Man müsse den Amerikanern halt vermitteln, daß sie keineswegs "ganz allein" dastünden, meinte er.

Zu mehr Kritik mochte sich der stellvertretende CDU-Vorsitzende nicht entschließen.