Neuenfelde gestern mittag: Das Dorf ist in winterlichen Nebel gehüllt - und in Schweigen. Reden will hier kaum jemand, nachdem Obstbauer Cord Quast mit dem Verkauf seines 39 000 Quadratmeter großen Grundstücks den Weg frei gemacht hat für die Airbus-Startbahnverlängerung. Er selbst steht für Interviews und Fotos nicht zur Verfügung, das verkündet ein gelbes Plakat an Quasts Haustür.

"Ich möchte nicht in seiner Haut stecken", sagt Heinrich Pöppe (69), unmittelbarer Nachbar von Cord Quast, mitfühlend. "Diese Schlammschlachten, dieser Druck." Quast habe nur verkauft, um endlich Ruhe zu haben. "Ich kann es ihm nicht verdenken", sagt auch Harald Hamfler (63). "Unser Dorf wird auf lange Sicht doch sowieso platt gemacht." Neuenfelde werde zum Industriegebiet. "Hier stehen dann irgendwann nur noch große Hallen."

Ums Geld sei es Cord Quast sicher nicht gegangen, ist sich Ursula Strauß (53), die mit dem Obstbauern die Schulbank gedrückt hat, sicher. "Der ist Neuenfelder aus ganzem Herzen. Und Geld hat er eigentlich selbst genug", sagt sie. Als neutral bezeichnet sich Sonja Bundt (41), die in Neuenfelde ein Restaurant betreibt: "Unser Hotel ist voller Airbus-Leute, im Saal feiern die Dorfbewohner ihre Familienfeste. Zu wem soll ich da halten?" fragt sie.

"Dieses Wochenende war der Durchbruch", freut sich vor dem Airbus-Werkstor auf Finkenwerder der Fluggerätebauer Michael Steensen (35). 1988 hat er hier seine Ausbildung begonnen, wurde anschließend übernommen. Großen Jubel habe es im Werk aber nicht gegeben. "Heute war kaum zu spüren, daß sich etwas verändert. Starke Emotionen gab es vor einigen Wochen bei der Demonstration auf dem Deich." Damals hatten Airbus-Mitarbeiter gegen die Blockade aus Neuenfelde protestiert.

Steensen hat Verständnis für die Sorgen der Anwohner, sagt aber auch: "In Frankreich wäre das anders gelaufen. Selbst wenn ein Flugzeug im Tiefflug über Wohnhäuser fliegt, ruft der Franzose noch: Vive la France!" Rene Knape (31), Flugzeugbauer aus Schönebeck bei Magdeburg, ist einfach erleichtert, daß eine Entscheidung gefallen ist. Seit April ist der Zeitarbeiter bei Airbus beschäftigt. "Ich wünsche mir, daß es hier jetzt weitergeht und ich einen Festvertrag bekomme, dann würde ich nach Hamburg ziehen", sagt er.

"Bei uns haben sogar die Regionalzeitungen über den Streit berichtet", sagen Karin (60) und Otto (65) Preuß aus Dortmund, die am Neß-Hauptdeich angehalten haben, um einen Blick auf die umkämpfte Landebahn zu werfen. Verständnis für diejenigen, die ihr Land nicht verkaufen wollten, haben sie nicht. "Wenn man bei uns zu Hause die Opel-Krise sieht, denkt man automatisch zuerst an die Arbeitsplätze", sagt Otto Preuß.

Ein paar Meter entfernt blickt Wolfgang Hintz (62) durch sein Fernglas. "Ich bin ein Airbus-Verrückter, komme mindestens zweimal pro Woche auf den Deich, um den Flugverkehr zu beobachten", gesteht der pensionierte Schiffsingenieur aus Buxtehude. "Bei uns", sagt er, "war man sauer auf die Neuenfelder. Aber auch der Hamburger Senat hatte viel Schuld mit seiner Salami-Taktik. Es wurde ja nie mit offenen Karten gespielt", so der Vielflieger, der versucht, so oft es geht, einen Airbus zu nehmen.

Die Nachricht über den Verkauf des Grundstücks habe ihn überrascht. "Natürlich habe ich mich sehr gefreut", sagt Hintz. "Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn Hamburg es nicht geschafft hätte, den Standort zu erhalten. Die Franzosen warten doch nur darauf, wollen alles zu sich holen." (hpvs/kab)