Rathaus: 750 000 Euro für Wissenschaftler. Richard von Weizsäcker hielt Festvortrag

"Der Ernstfall ist die Zukunft", hatte der Hamburger Unternehmer und Stifter Kurt A. Körber (1909-1992) gesagt, als er vor 20 Jahren im Hamburger Rathaus den "Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft" auslobte. Aus ihm ist der "Hamburger Nobelpreis" geworden, der nachhaltig Forschungsprojekte auf den Gebieten der Physik, Chemie, Biologie, Medizin und Technik fördert, die weit in das 21. Jahrhundert zielen.

Gestern wurde im Festsaal des Rathauses der renommierte Wissenschaftspreis der Körber-Stiftung, der insbesondere die internationale Zusammenarbeit von Forschern in Europa unterstützt, an ein Team von sechs Medizinern, Biochemikern und Zellbiologen aus Belgien, der Schweiz und Deutschland verliehen, die angeborene Erkrankungen des Glykoprotein-Stoffwechsels erforschen, um neue Diagnoseverfahren und Therapien zu entwickeln. Dabei handelt es sich um erbliche Defekte, die erst seit weniger als 25 Jahren bekannt sind.

500 Gäste, darunter Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Diplomatie, an der Spitze Bundespräsident a. D. Richard von Weizsäcker, waren bei der Übergabe des mit 750 000 Euro dotierten Forschungspreises dabei - an dem Tag, an dem Kurt A. Körber 95 Jahre alt geworden wäre.

Ole von Beust, Bürgermeister der "Hauptstadt der Stifterszene", wies darauf hin, dass an der von den Forschern behandelten Gruppe von Erbkrankheiten rund vier Millionen Deutsche leiden, von denen schon in den ersten zwei Lebensjahren ein Fünftel stirbt. Dennoch gelten sie als so genannte "seltene Krankheiten", an deren Erforschung sich die Pharmaindustrie, die sich auf die großen "Volkskrankheiten" konzentriert, nur wenig beteilige. Daher sei die Unterstützung von Stiftungen unverzichtbar, sagte Ole von Beust.

Die Preisträger des Jahres 2004 waren von einem internationalen Kuratorium unter Vorsitz von Prof. Dr. Peter Gruss, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, ausgewählt worden. Es handelt sich um Prof. Dr. Kurt von Figura, Göttingen, Prof. Dr. Markus Aebi und Prof. Dr. Thierry Hennet aus Zürich, Prof. Dr. Jaak Jaeken und Prof. Dr. Gert Matthijs aus Leuven/Belgien sowie Prof. Dr. Ludwig Lehle, Regensburg.

Prof. Gruss erinnerte daran, dass weitreichende Forschungsprojekte stets drei hohe Hindernisse zu überwinden hätten. Ihre Namen lauteten: "Das ist nicht wahr", "Das ist nicht wichtig" und "Das ist nichts Neues".

"Zur Finalität Europas" war das hoch aktuelle Thema des viel diskutierten Festvortrages, den Bundespräsident a. D. Richard von Weizsäcker hielt - eine tiefschürfende Standortbestimmung und Prognose des "Kampfes um Europa": "Dem Auftrag von Jacques Delors, der europäischen Union eine Seele zu geben, sind wir bisher noch nicht gewachsen", stellte von Weizsäcker fest. Und: "Wir Europäer werden um so eher Herren im eigenen Hause sein, wenn beide Seiten des Atlantiks wissen, dass sie einander brauchen und nirgendwo bessere Partner finden."