Gericht: Auftakt im Kriegsverbrecher-Prozess gegen Gerhard Sommer aus Volksdorf.

Es ist der derzeit größte Kriegsverbrecherprozess an italienischen Gerichten, der gestern begann. Hauptangeklagter: der Hamburger Gerhard Sommer. Der 83-Jährige aus Volksdorf soll als Untersturmführer maßgeblich am Mord von 560 Zivilisten, darunter 142 Kindern, in Sant'Anna di Stazzema bei Lucca in der Toskana beteiligt gewesen sein. Neben Sommer müssen sich mit Heinz Ludwig Sonntag und Alfred Schönenberg zwei weitere, mutmaßlich Verantwortliche wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten

Am 12. August 1944 hatten Soldaten der Waffen-SS-Division "Reichsführer SS" unter dem Kommando des mittlerweile verstorbenen Anton Galler mit Maschinengewehren, Bomben und Flammenwerfern Wehrlose in dem Dorf hingerichtet und es nahezu ausgelöscht, vermutlich als Vergeltung für einen Angriff von Partisanen. Die Leichen wurden in den Häusern verbrannt. Außer Sommer sind noch fünf weitere ehemalige SS-Unteroffiziere und Soldaten angeklagt. Am ersten Prozesstag versuchte nur ein Angeklagter, Alfred Schönenberg, zu beweisen, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht verhandlungsfähig sei. Alle Angeklagten sind über 80 Jahre alt.

Gegenüber dem Abendblatt unterstrich der Anwalt von Gerhard Sommer, Andrea Amati (45), dass er seinen Mandanten für völlig unschuldig halte. "Ich glaube nicht, dass er selbst an dem Prozess teilnehmen will. Bisher hat er nichts davon gesagt, dass er daran denkt, nach Italien zu kommen", sagte Amati.

Die Stadt Sant'Anna di Stazzema tritt in dem Prozess als Nebenklägerin auf. Die Stadt ist von den Soldaten nahezu vollständig zerstört worden. Das Gericht setzte zwei Verhandlungstermine fest, zunächst den 29. Juni, die Zeugen und Experten sollen dann ab dem 12. Juli gehört werden. Anfang Mai soll entschieden werden, ob drei weitere frühere SS-Angehörige angeklagt werden sollen, gegen die derzeit ermittelt wird. Ihr Verfahren könnte dann in das gegen Sommer, Sonntag und Schönenberg einbezogen werden.

Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Überlebenden des Massakers in Sant'Anna di Stazzema Gerechtigkeit verlangt. Auf Druck der USA wurden die Verbrechen der SS in Italien aber nicht weiter verfolgt, um die Integration Deutschlands in die NATO nicht zu gefährden. Die Unterlagen über die Verbrechen wurden in einen Schrank gestopft, den man umdrehte und mit den Türen gegen eine Wand stellte. Erst im Jahr 1990 fand ein Hausmeister zufällig den Schrank. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss prüft, wie die Beweismittel so lange hatten unbeachtet bleiben können