Alten Eichen: Mark Tavassol ist nicht nur Bassist von “Wir sind Helden“, sondern auch Arzt. Das Abendblatt besuchte ihn bei einer Schicht.

Das sind zwei Welten, in denen er lebt. In der einen ist er der Star. Er ist der Abräumer des Jahres, er ist Bassist der Band "Wir sind Helden". Sechsmal waren sie nominiert, viermal haben sie ihn dann gewonnen, den Echo.

"Wie durch einen Helm" habe er diese Verleihung des Deutschen Schallplattenpreises wahrgenommen. Weit weg, dumpf, schweißtreibend. Da stand er auf der Bühne, wo zuvor Phil Collins sang. "An vieles erinnere ich mich gar nicht mehr", sagt er - und stochert in seinem Wackelpudding. Bis der Pieper geht. Die Notaufnahme, starker Durchfall. Also macht sich Mark Tavassol (30) auf den Weg durch seine andere Welt als Arzt im Diakonie-Krankenhaus Alten Eichen. Ohne Bass, mit Stethoskop.

Punkt 15.30 Uhr war er an diesem Mittwoch nach Stellingen gekommen. In seinem alten Mercedes, in Trainingsjacke, Turnschuhen. Vorher hatte er noch Mohnbrötchen gegessen und in seiner Eimsbütteler Zweizimmerwohnung "Tour-Reste" weggeräumt. Die Reisetasche etwa. Erst Sonntag waren sie zurückgekommen. Die anderen der Band sind nach Hannover und Berlin ausgeschwirrt - nach 15 Tagen und zwölf Städten, in denen die Menschen mit ihnen die Punk-Pop-Hymne "Guten Tag. Ich will mein Leben zurück" gesungen, geschrien hatten. In Düsseldorf waren sogar 8000 gekommen. Mehr als 300 000-mal hat sich das Debutalbum der Band verkauft, "Die Reklamation". In Hamburg ist ein Zusatzkonzert geplant. Am 25. Mai im Stadtpark. "Es passieren ungewöhnliche Dinge", sagt er nur. Später, als er zurück ist.

Die Nachtschicht liegt nun noch zwölf Stunden vor ihm. Die anderen drei Helden haben keinen Beruf nebenbei. Bei Tavassol ist das anders. "Es ist wichtig, ein Paket Erfahrung zu sammeln", sagt er. Nach der Musik soll ja wieder Medizin kommen, innere oder allgemeine. Mal sehen. Außerdem sei er noch im Praktikum. Das Krankenhaus, das sich 2003 mit den Häusern Bethanien und Elim zusammenschloss, gibt ihm die Möglichkeit einer halben Stelle. "Und die Band nimmt Rücksicht." Im Herbst 2001 hat er in Hamburg sein 1,8-Examen gemacht, der Weg schien festgelegt. Musik war Hobby, bis die anderen drei ihn fragten, ob er nicht dabei sein wolle. Das war Anfang 2002. Er war damals gerade mit seinem iranischen Vater, der Zahnarzt ist, in Teheran, wo er als Kind sechs Jahre lang gelebt hatte - bis die Familie später nach Bremen zog. "Zwei Wochen lang habe ich nicht geschlafen", sagt er. Dann hat er sich entschieden. Für beides halt.

Und darüber ist er froh. Schließlich hätten sich seine Bedürfnisse nicht geändert. Trotz des Erfolgs. Da ist das Bedürfnis Medizin. Die Nachbarn, das Auto sind geblieben. Nur die Freundin, die ist neu. Auf der Hochzeit seines Keyboarders hat er sie kennen gelernt. Vor einem halben Jahr. "Der Spagat", sagt er, finde nicht etwa zwischen der Musik und dem Job statt, sondern zwischen dem Arztsein und dem Nicht-Arztsein. "Manchmal komme ich von der Schicht und habe jemanden wieder belebt oder auch nicht", sagt Tavassol, "und zu Hause muss ich dann überlegen, was ich aufs Brötchen packe." Das findet er schwer. Zwei Welten? Es sind wohl drei.