Volksdorf: Vor Beginn des Prozesses in La Spezia berichten italienische Medien über den 83-Jährigen.

Die Aufnahmen der schmalen Seitenstraße in Volksdorf flimmerten während der wichtigsten Nachrichtensendung Italiens über die Fernsehschirme. Und auch das italienische Privatfernsehen zeigte dieser Tage zur besten Sendezeit den penibel gepflegten Garten eines der Einfamilienhäuser. Empört verfolgte ganz Italien, wie ein 83 Jahre alter Rentner aus dem Haus tritt. "Dieser Mann war beteiligt am feigen Mord von 560 Italienern", sagte der Nachrichtensprecher.

Gerhard Sommer, geboren am 24. Juni 1921. Der Hamburger, der seit fast 40 Jahren mit seiner Frau in Volksdorf lebt, ist einer von drei ehemaligen SS-Offizieren, denen wegen eines Massakers 1944 in einem Dorf in der Toskana jetzt in Italien der Prozess gemacht wird. Am 20. April beginnt vor dem Militärgericht in La Spezia das Verfahren gegen die heute über 80 Jahre alten Männer. Der Vorwurf: Der ehemalige Unterscharführer der SS soll das Massaker von Sant' Anna di Stazzema bei Lucca in der Toskana angeordnet haben. Dabei erschossen SS-Panzergrenadiere 560 Zivilisten, unter ihnen 142 Kinder.

Ein Thema, das Italien erregt - so, wie schon der Fall des früheren SS-Chefs von Genua, Friedrich Engel, der heute ebenfalls unbehelligt in Lokstedt lebt. Der 95-Jährige wartet derzeit auf die Revision gegen seine Verurteilung 2002 zu sieben Jahren Haft wegen Beteiligung an der Tötung italienischer Gefangener im Mai 1944. Und jetzt der Fall Sommer: Der 83-Jährige hatte sich nach Angaben des italienischen Militärgerichts damals freiwillig bei der SS gemeldet. Seine Einheit war am Morgen des 12. August 1944 in das Bergdorf bei Lucca eingefallen. Die Soldaten drangen in die Häuser ein und erschossen die Bewohner. Dann zündeten sie die Häuser an. Einige Zeugen, die sich verstecken konnten, wollen sich an Gerhard Sommer erinnern. Reporter der Mailänder Wochenzeitschrift "Gente" beschreiben den 83-Jährigen als eleganten Herrn, der in einem hübschen Haus wohne, umgeben von einem Garten, den er "wie ein Besessener" pflege. Für die Nachbarn sei er der nette Mann von nebenan, der bei keinem Fest fehle.

Auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt seit Herbst 2002 wegen Mordes gegen den Volksdorfer. Ein Staatsanwalt reiste Ende vergangenen Jahres nach Italien, befragte Überlebende. Der Termin für die Anklage ist aber noch nicht absehbar, so ein Sprecher: "Wir wollen ermitteln, wer damals wirklich vor Ort war und individuell verantwortlich ist." Für einen Haftbefehl gegen den 83-Jährigen reiche es nicht - keine Fluchtgefahr.