Finanzressortchefs Freytag und Wiegard (beide CDU) erneut unter Beschuss. Aber zum Informationsfluss schweigen sie.

Wer war wann worüber informiert? Noch bevor die Untersuchungsausschüsse in Hamburg und Kiel zum "Fall HSH Nordbank" auch nur beschlossen wurden, geschweige denn ihre Arbeit aufgenommen haben, rückt diese Frage mit den vielen Ws immer mehr in den Mittelpunkt.

Aktueller Fall: Bereits am 7. April 2008 wurde im Risikoausschuss, einem Untergremium des Aufsichtsrates, intern vor Problemen beim Risikomanagement gewarnt - und zwar sehr deutlich. "Im Verlauf des vierten Quartals des Jahres 2007 haben unterschiedliche Prozessschwächen in dem Risikosteuerungsprozess für Kapitalmarktgeschäfte zu operationellen Schäden geführt", zitiert der "Stern" in seiner heutigen Ausgabe aus einem internen Papier. Bei einem Investmentgeschäft seien zum Beispiel 96 Millionen Euro verloren gegangen. Grund seien "nicht ausreichende Überwachungsinstrumente" sowie "die fehlerhafte Bewertungsmethode in den zentralen Instrumenten des Risikocontrollings". Harter Tobak. Einige Mitglieder des Aufsichtsrats seien darüber bereits im Dezember 2007 informiert worden.

Die Reaktion der Opposition in beiden Ländern kam gestern postwendend: "Die Risiken waren also bekannt - nur dem Finanzsenator nicht? Ich glaube, wir haben hier erneut einen Punkt, bei dem er dem Parlament Informationen vorenthalten hat", sagte der Hamburger SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher mit Blick auf Finanzsenator Michael Freytag (CDU). Joachim Bischoff, Finanzexperte der Linke-Fraktion, stieß ins gleiche Horn und stellte fest: Die Kapitalerhöhung von zwei Milliarden Euro sei Mitte 2008 "unter Vorspiegelung falscher Tatsachen" erfolgt. In Kiel forderte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki gar die sofortige Entlassung des Finanzministers Rainer Wiegard (CDU). Zurückhaltender reagierte die Hamburger CDU-Fraktion: "Wir werden uns direkt bei der Bank Informationen holen und auf deren Basis eine Meinung bilden", sagte Finanzexperte Rüdiger Kruse.

Ebenso gebetsmühlenartig, wie die Opposition versucht, mit Freytag und Wiegard zwei der 20 Aufsichtsräte politisch verantwortlich zu machen für das 2,8-Milliarden-Loch bei der Bank und das daraus resultierende 13-Milliarden-Euro-Rettungspaket der Länder, ebenso gleichförmig wehren sich die Betroffenen. Freytag und Wiegard verwiesen gestern in getrennten, aber inhaltlich teilweise wortgleichen Erklärungen darauf, dass der Aufsichtsrat bereits zum 1. Oktober 2007 die Position des Risikovorstands (Chief Risk Officer, CRO) neu geschaffen habe. Außerdem sei der Vorstand "noch vor dem weltweiten Zusammenbruch der Märkte" beauftragt worden, unter anderem Risiken deutlich zu reduzieren und das Kreditersatzgeschäft abzubauen. Selbstkritischer fiel die Aussage von Bank-Sprecherin Ulrike Abratis aus: "Die HSH Nordbank hatte bis 2007 Schwachstellen im Risikomanagement. Sie arbeitet ständig daran, diese zu identifizieren und abzubauen."

Was niemand erwähnt: Der Posten des Risikovorstands ist keineswegs als Reaktion auf die heraufziehende Krise geschaffen worden, sondern der Beschluss fiel bereits am 2. November 2006 vor dem Hintergrund des geplanten Börsengangs. Am 21. November 2006 brüstete sich der damalige Vorstandschef Alexander Stuhlmann sogar noch mit guten Zahlen und verkündete unter der Überschrift "Risiken im Griff" ein gesteigertes Betriebsergebnis "bei weiter reduzierter Kreditrisikovorsorge".

Was auch unerwähnt bleibt: Finanzvorstand Hartmut Strauß war bereits seit 1. Januar 2007 auch CRO, zunächst "nebenbei" und ab 1. Oktober 2007, als mit dem heutigen Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher ein neuer Finanzvorstand kam, alleiniger CRO. Strauß musste aber nach besagter verheerender Einschätzung über das Risikomanagement Ende Juni 2008 gehen. Seitdem bekleidet Nonnenmacher das Amt in Personalunion mit - die Bewerber für das Himmelfahrtskommando stehen nicht gerade Schlange.

Ebenfalls ungeklärt bleibt, wann genau Freytag und Wiegard denn nun von dem brisanten Papier erfuhren. Auch auf ausdrückliche Nachfrage des Abendblatts wollten sich beide dazu gestern nicht äußern.

Die Fragen, wer wann worüber informiert war - sie werden wohl frühestens in den Untersuchungsausschüssen geklärt. Wenn überhaupt.