250 bis 300 Kräfte fehlen bereits jetzt - Tendenz steigend. Verband fordert finanzielle Hilfen von der Sozial-behörde, um mehr ausbilden zu können.

Hamburg droht der Pflegenotstand. Altenheime und ambulante Dienste haben immer größere Probleme, genügend Fachpersonal zu finden. "Zurzeit fehlen etwa 250 bis 300 zusätzliche Pflegefachkräfte, bis Ende 2010 werden es etwa 450 sein", sagt Jens Stappenbeck, Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft (HPG). "Wenn der Bedarf sich nicht ändert, werden weitere ambulante Einrichtungen gezwungen sein, in großem Umfang Pflegeaufträge abzulehnen."

Einige Anbieter mussten bereits aufgeben, weil sie nicht genug Personal gefunden haben. Rainer Werther, kaufmännischer Direktor des Marienkrankenhauses, leitete bis vor Kurzem auch den 2001 gegründeten Pflegebetrieb Marien Ambulante Gesundheitsdienste, der mit 16 Pflegekräften mehr als 80 Patienten in Hohenfelde und Umgebung betreut hatte. "Um schwarze Zahlen zu schreiben, braucht man einen Stamm von etwa 150 Patienten", erklärt Werther. "Die hätten wir locker zusammenbekommen, fanden aber nicht die dafür erforderlichen Pflegefachkräfte." Jetzt musste er die Firma schließen und allen Mitarbeitern kündigen. Werthers einziger Trost: Wegen des großen Bedarfs haben alle sofort einen neuen Arbeitsplatz gefunden.

Beate Clasen, die seit 1988 den ambulanten Pflegedienst Aktiv Leben leitet, beklagt, dass sie dem Versorgungsauftrag nicht mehr nachkommen könne. "Dabei hat jeder Bürger einen Rechtsanspruch auf eine qualifizierte Betreuung", sagt sie. Ihr Unternehmen versorgt mit 65 Mitarbeitern 240 Klienten. Die Zahl der Anfragen von Menschen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen möchten, steigt täglich. Aber meistens muss Beate Clasen passen. Für die Versorgung zusätzlicher Patienten bräuchte sie mehr Personal - und das gibt es einfach nicht.

Insulin spritzen, Blutzucker messen, Wunden pflegen und Medikamente geben dürfen auch in der ambulanten Pflege nur qualifiziert ausgebildete Pflegefachkräfte. "Wenn wir davon nicht genug haben, müssen schlechter ausgebildete Pflegekräfte mithelfen", sagt Beate Clasen.

Allein im Hamburger Abendblatt standen in der Ausgabe vom vergangenen Wochenende 28 Stellenangebote von ambulanten und stationären Pflegediensten - jedoch nur zwei Gesuche. In beiden Bereichen liegt das Bruttogehalt für dreijährig ausgebildete Pflegefachkräfte bei etwa 2100 Euro, für Pflegeassistenten mit zweijähriger Ausbildung sind es etwa 200 Euro weniger. "In diesem Beruf verdient man nicht viel", sagt Beate Clasen, "der Reichtum besteht allerdings darin, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben."

Den Fachkräftemangel bekämen sowohl private als auch städtische und gemeinnützige Pflegedienste zu spüren, sagt Jens Stappenbeck von der Hamburgischen Pflegegesellschaft. Dort geht man davon aus, dass der Fachkräftebedarf in Hamburg durch die demografische Entwicklung weiter deutlich steigen wird. Zurzeit sind in der Hansestadt etwa 4300 Pflegefachkräfte im stationären und 4700 im ambulanten Bereich beschäftigt. Sie betreuen mehr als 30 000 Patienten.

Es bestehe die große Gefahr, dass der vorgeschriebene Anteil von mindestens 50 Prozent Pflegefachpersonal im stationären Bereich nicht mehr erfüllt werden könne.

Damit auch der künftige Bedarf an Pflegefachpersonal befriedigt werden kann, müssten mehr Ausbildungsplätze im ambulanten Bereich geschaffen werden. Nach Auskunft von Stappenbeck werden in Heimen und Krankenhäusern jährlich etwa 280 Pflegefachkräfte ausgebildet, im ambulanten Bereich lediglich fünf oder sechs. Das liegt daran, dass ein Teil der Ausbildungskosten im stationären Bereich über die Pflegesätze gedeckt werden, im ambulanten dies aber nicht möglich sei.

Die Hamburgische Pflegegesellschaft will jetzt erreichen, dass die Sozialbehörde sich an den Ausbildungskosten in der ambulanten Pflege beteiligt und die Pflegeeinrichtungen bei der Ausbildung zusammenarbeiten. Die Schaffung von 100 Ausbildungsplätzen in der ambulanten Pflege könnte nur in Teilen von den Pflegeverbänden und der Bildungsbehörde getragen werden. Nach Berechnungen der HPG entstünde eine Finanzierungslücke von 780 000 Euro jährlich. Diesen Anteil soll die Behörde übernehmen. "Die Sozialbehörde muss ihrer Verantwortung gegenüber den Alten gerecht werden", fordert Stappenbeck.