Wirtschaftssenator Axel Gedaschko kritisiert die lange Bearbeitungszeit im Ministerium. Weitere Ausbaggerungen wird es nicht geben.

Eines der umstrittensten Großprojekte Norddeutschlands geht in eine entscheidende Phase: Bei "Anhörungsterminen" werden in mehreren Gemeinden entlang der Unterelbe die rund 7000 Einwendungen gegen die Elbvertiefung zur Sprache kommen, die Bürger bisher schriftlich vorgebracht haben. Der Auftakt ist am Donnerstag im CCH. Vor allem in Otterndorf an der Elbmündung lehnen die Bürger aus Sorge über ihre Deiche eine weitere Vertiefung ab, die Zustimmung Niedersachsens für das 380-Millionen-Projekt Niedersachsen ist unsicher. Bund und Hamburg wollen großen Schiffen den Zugang zum Hafen erleichtern. Das Abendblatt sprach mit Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU).


Abendblatt:

Gerade in Otterndorf ist das Misstrauen gegenüber der Elbvertiefung und Hamburg groß. Woher mag das kommen?

Axel Gedaschko:

Eine Mischung aus verschiedenen Dingen hat dazu geführt: Die Menschen haben natürlich eine berechtigte Sorge, dass im Fall der Fälle die Deiche halten. Aber wir in Hamburg müssen uns auch selbstkritisch fragen, ob wir uns immer so verhalten haben, wie man es unter Nachbarn sollte.



Abendblatt:

Hat man nicht?

Gedaschko:

Nein, hat man nicht. Beim Bau der A 26 zum Beispiel. Da hat Hamburg gegenüber Niedersachsen eine klare Verhinderungspolitik betrieben. Erst in der Schlussphase unter Bürgermeister Runde und dann mit Ole von Beust kam es zu einer Umkehr. Aber auch in Niedersachsen gab es unter Ministerpräsident Albrecht ein Sprechverbot für Oberkreisdirektoren gegenüber Hamburg.



Abendblatt:

Die vergangene Elbvertiefung von 1999 kam doch auch nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme an.

Gedaschko:

Es sind Dinge versprochen worden, die nicht umgesetzt wurden.



Abendblatt:

Zum Beispiel?

Gedaschko:

Zum Beispiel Ausgleichsmaßnahmen bei Belum, oder Auflagen bei der Beweissicherung sind nicht erfüllt worden. Unser Problem heute ist, dass wir in Hamburg haftbar gemacht werden, der Bund aber verantwortlich ist. Man muss aber noch einmal klar sagen: Verfahrensträger der Fahrrinnenanpassung ist der Bund.



Abendblatt:

Dann können Sie also keine Garantien abgeben, etwa für Otterndorf?

Gedaschko:

Nein, ich kann nichts garantieren, das ist völlig klar. Ich glaube aber, dass wir heute ein anderes Rollenverständnis der Zusammenarbeit haben. Unabhängig von der Fahrrinnenanpassung. Die Verlängerung der S-Bahn bis Stade oder die Ausweitung des HVV-Gebiets sind dafür Beispiele. Da zeigt sich, dass eine andere Politik gemacht wird in Hamburg.



Abendblatt:

Dann könnte man sich doch noch ein wenig Zeit lassen mit dem Baggern - um noch mehr Vertrauen zu schaffen?

Gedaschko:

Sehen Sie, ich hatte in letzter Zeit Besuche staatlicher Reedereien Chinas. Dort wird nicht so herzlich differenziert zwischen Otterndorf und Hamburg. Wichtig sind die Kosten, damit die Schiffe ein Ziel wirtschaftlich erreichen können.



Abendblatt:

Können sie nicht?

Gedaschko:

Nein, können sie oft nicht. Gerade in der Krise müssen Kosten reduziert werden. Die Ware wird daher auf moderne, verbrauchsarme und in der Regel wesentlich größere Schiffe verladen.



Abendblatt:

Aber die kommen doch schon rein, bis Hamburg.

Gedaschko:

Das Problem ist das Rausfahren. Die großen Schiffe kommen daher mit einer deutlich reduzierten Ladung, um nicht so viel Tiefgang zu haben. Die Kostenseite wird für den internationalen Handel dann aber weniger interessant.



Abendblatt:

Braucht Hamburg da nicht ein Signal an die Reedereien, auch von Niedersachsen, dass die Vertiefung wirklich gewollt ist?

Gedaschko:

Mit dem Vertrag zur Kostenübernahme für Deich-Deckwerke durch den Bund haben wir doch schon einen Fortschritt erzielt, das kommt einer Zustimmung sehr nahe.



Abendblatt:

Aber Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander hat sich auch beeilt, festzustellen, dass damit noch kein Einvernehmen mit der Elbvertiefung verknüpft sei.

Gedaschko:

Er steht natürlich unter Druck gegenüber dem Landtag. Aber ich verstehe ihn auch, das Einvernehmen ist eine rechtliche Sache, die erst nach dem Planfeststellungsbeschluss erteilt werden kann.



Abendblatt:

Gut, aber von Schleswig-Holstein ist ein klares, politisches Votum für eine Elbvertiefung längst gekommen.

Gedaschko:

Das stimmt, eine politische Zustimmung kommt aus Kiel. Aber da sind wir wieder beim Anfang; in Niedersachsen ist aus der Vergangenheit heraus eine eher ablehnende Haltung gegenüber Hamburger Wünschen zu spüren. Und noch einmal: Es hat da in Hamburg eine klare Wende gegeben.



Abendblatt:

Die Schiffe werden immer größer, der Wettbewerb unter den Häfen auch. Wie lange soll das noch so gehen?

Gedaschko:

Es gibt daher den interessanten Gedanken, eine Initiative der Seehäfen zu ergreifen. Denn auf der einen Seite haben wir die Verdienstmöglichkeiten privater Reedereien, auf der anderen werden die Infrastrukturkosten für die Allgemeinheit immer höher. Irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht.



Abendblatt:

Sie meinen eine Allianz der Häfen, um Kosten nicht ausufern lassen?

Gedaschko:

Ja, genau so. Interessanterweise ist auch Rotterdam für einen solchen Weg. Weitere Ausbauten kann es dann nicht mehr geben, die Schiffe müssen sich den Häfen anpassen und nicht umgekehrt.



Abendblatt:

Aber diesmal muss es noch sein, dass gebaggert wird?

Gedaschko:

Ja, die Wirklichkeit ist so weit vorangeschritten.



Abendblatt:

Kritiker sagen aber, die Wertschöpfung des Containerumschlags sei eher gering. Boxen werden die Elbe hochgeschippert, umgeladen und dann geht es wieder zurück.

Gedaschko:

Nein, das ist anders: Gerade in Hamburg liegt die Quote der Güter, die hier ergänzt oder bearbeitet werden, bei 40 Prozent! Da findet sehr viel Wertschöpfung statt. Der Logistikstandort in der Metropolregion hätte sich ohne Hafen nie so positiv entwickelt - ein enormes Arbeitsplätzepotenzial.



Abendblatt:

Und wann wird nun gebaggert?

Gedaschko:

Bei dieser nationalen Aufgabe setzten wir auf die Worte von Bundesverkehrsminister Tiefensee. In Hamburg hatte er noch im Herbst 2008 angekündigt, dass Ende 2009 gebaggert wird. Aber ich fürchte, mittlerweile ist so ein Ziel extrem ambitioniert.



Abendblatt:

Sind die Verantwortlichen in Berlin zu langsam?

Gedaschko:

Wir messen den Minister an seinen Worten es könnte aber natürlich zügiger mit der Bearbeitung des Genehmigungsverfahrens vorangehen.



Abendblatt:

Was macht mehr Sorgen: Berlin oder Otterndorf?

Gedaschko:

Mittlerweile glaube ich Berlin. Ich vermute, wir können uns eher mit Otterndorf einigen - noch bevor der Planfeststellungsbeschluss vorliegt.