Die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Nebahat Güclü (GAL), David Erkalp (CDU), Bülent Ciftlik (SPD), Metin Hakverdi (SPD) und Mehmet Yildiz (Die Linke) haben alle türkische Wurzeln. Das Abendblatt hat sie vor der Uefa-Cup-Begegnung HSV gegen Galatasaray-Istanbul getroffen - ein (nicht immer ernsthaftes) Gespräch über Fußball und Politik.

Ihr Spiel ist die Politik, ihr grüner Rasen der Plenarsaal, ihre Mannschaft die Fraktion. Politisch sind sie Gegner. Und doch haben die Bürgerschaftsabgeordneten Nebahat Güclü (GAL), David Erkalp (CDU), Bülent Ciftlik (SPD), Metin Hakverdi (SPD) und Mehmet Yildiz (Die Linke) etwas gemeinsam - sie alle sind Hamburger, sie alle sind Fußballfans, sie alle haben türkische Wurzeln und sie alle fiebern dem Uefa-Cup-Spiel HSV-Galatasaray Istanbul am Donnerstag in der HSH-Nordbank-Arena entgegen.

"Das ist schon eine ganz besondere Situation, ein besonderes Gefühl, bei diesem Spiel im Stadion live dabei zu sein", sagt Nebahat Güclü. "Es ist so eine Zerrissenheit da. Da ist eine Hamburger Mannschaft, der man wünscht, dass sie weiterkommt. Auf der anderen Seite eine Mannschaft, die man auch emotional unterstützt. Das sind doch irgendwie die Wurzeln", so Güclü.

Das Abendblatt hat die Abgeordneten schon vor dem Anpfiff aufs Spielfeld geholt und mit ihnen über die Begegnung, den Fußball, Integration, das Leben in Hamburg und zwischen den Welten gesprochen.

Bülent Ciftlik: "Für mich ist das überhaupt keine Zerrissenheit. Als ich fußballerisch sozialisiert wurde, gab es in Deutschland für einige Jahre nichts anderes als den HSV. Wer zu der Zeit hier aufgewachsen ist, konnte nur eingefleischter HSV-Fan werden." Kein Wunder also, dass er im Stadion für die Rothosen jubeln wird. Dass das zu familiären Verwicklungen führen könnte, ist ihm klar. Denn - auf dem Platz neben ihm wird sein Vater sitzen, und der ist Galatasaray-Fan. "Wir mussten schon vorher absprechen, wie wir uns verhalten. Dem jeweils anderen ist natürlich der Hohn und der Spott sicher, wenn die eigene Mannschaft verliert", sagt Ciftlik lachend.

Aber wer gewinnt denn? Nebahat Güclü: "Ich hab da so eine Mittelposition, ich bin für beide, das ist meine Schwierigkeit. Vielleicht wär's gut, wenn jetzt der HSV gewinnt und beim Rückspiel in Istanbul dann Galatasaray. (Übrigens: Sie tut sich deshalb so schwer, weil sie eigentlich flammender St.-Pauli-Fan ist.) Trotzdem sorgt Güclüs Aussage bei den eingefleischten HSV-Fans Ciftlik, Hakverdi und Erkalp für lautstarkes Protestgeheul. "Buhh", ruft Hakverdi lachend. "Nein, so geht das nicht. Nicht so ein Wischiwaschi." Um die Sache etwas zuzuspitzen, fragen wir genauer: "Wer kommt weiter?" Ciftlik legt vor: "Ich leg mich fest, der HSV kommt weiter." Erkalp nimmt den Pass auf: "Ich sag auch der HSV." Güclü kontert: "Ich sage, Galatasaray kommt weiter." Und Mehmet Yildiz? Der schießt den Pass erneut ins Aus: "Eigentlich sind beide Teams gleich stark", sagt er und erntet lautes Gelächter. "Die Verteidigung ist bei beiden Teams derzeit wohl eher gleich schwach", frotzelt Hakverdi. Für ihn besteht trotzdem kein Zweifel: "Der HSV kommt weiter." Yildiz lässt sich überzeugen: "Na gut, dann denke ich eben auch, dass der HSV weiterkommt." So viel Einigkeit würde sich so mancher Abgeordnete wohl auch im Rathaus hin und wieder wünschen.

Schon bei der nächsten Frage ist diese Harmonie wieder dahin: "Sagen Sie, Herr Yildiz, Piotr Trochowski und Co. müssten doch ganz schön vor Ihnen zittern, wo die Linken doch den Spitzensteuersatz anheben wollen." Yildiz: "Wer Millionen verdient, soll auch ein bisschen mehr zahlen. Auch beim HSV." Der Sozialdemokrat in Metin Hakverdi kann es sich nicht verkneifen und stichelt bei seinem Kollegen von der Linken: "Am liebsten den HSV verstaatlichen, oder?" Damit hat sich die Ernsthaftigkeit bei dieser Frage verabschiedet. Eine Antwort ist nicht mehr möglich. Verstehen würde sie sowieso keiner mehr. Zu laut ist das Gelächter und Gejohle - fast schon wie im Stadion. Versuchen wir es mit einer anderen Frage: "Wie erklären Sie sich, dass so viele Jugendliche türkischer Abstammung so erfolgreich Fußball spielen?" David Erkalp, der selbst einmal in Meiendorf gekickt hat, es sogar bis in die Verbandsliga schaffte, sieht das so: "Vor 15 Jahren waren nur wenige Migranten in höheren Mannschaften. Das ist heute ganz anders. Dazu hat auch die bessere Integration beigetragen." Erkalp ist Vizepräsident bei Vorwärts Wacker: "Da haben wir 30 verschiedene Nationalitäten in einer Jugend." Für ihn ist Fußball die Sportart, die Migranten am meisten zusammenbringt. "Auf dem Fußballfeld braucht man keine Sprachen. Man muss sich nur an die Regeln halten, und die sind auf dem Platz für alle gleich. Egal, ob man Deutscher, Türke oder Italiener ist."

Die Hamburger mit Migrationshintergrund von heute nehmen sich ihre Chancen. Davon sind alle überzeugt. "Vor zehn Jahren gab es in der Bürgerschaft vielleicht einen Abgeordneten mit Migrationshintergrund. Heute sind es sechs, sieben, acht. Das kann man auch auf den Fußball übertragen ", so Erkalp. Nebahat Güclü sieht heute "eine stärkere Öffnung der großen Vereine für sportliche Talente, egal wo sie herkommen." Eine "sehr gute" Entwicklung.

Apropos Talent und Eigenschaften: "Gibt es Überschneidungen bei Politikern, was die notwendigen Eigenschaften angeht?" Erkalp: "Wenn man im Fußball etwas werden will, muss man sich durchbeißen. Man muss immer so gut sein, damit man aufgestellt wird. Das Gleiche gilt in der Politik: sich immer wieder neu behaupten, immer wieder die Schwächeren hinter sich lassen, damit man seinen Platz bekommt. Da gibt es schon Parallelen von Fußball und Politik zu sehen." Nebahat Güclü sieht dennoch "einen entscheidenden Unterschied: "Im Fußball entscheiden einige Wenige über Karrieren und über Erfolg. In der Politik ist es zum Glück die breitere Entscheidung des Volkes, dadurch dass sie uns wählen. Da gehört aber auch viel Fleiß zu."

Und auf welcher Position würde Bürgermeister Ole von Beust (CDU) spielen, wenn er zur Jol-Elf gehören würde? CDU-Mann Erkalp: "Er wäre der Spielmacher irgendwo im Mittelfeld." Auf dem Platz würde er "der Matthäus sein", ist sich Erkalp sicher. "Der könnte links wie rechts. Er wäre derjenige, der delegiert und die Bälle vereilt." Ganz überzeugt wirken seine Kollegen nicht. Nebahat Güclü sieht den Bürgermeister als Schiedsrichter, Mehmet Yildiz empfiehlt die Position des Torwarts. "Der muss hinten die Fehler seiner Mannschaft ausbügeln."

Am Ende herrscht dann aber doch wieder Einigkeit. Alle fünf Abgeordneten sehen es als Vorteil an, ein bisschen von beiden Welten in sich zu tragen: "Wir können uns freuen. Es spielen zwei Mannschaften, die beide nicht weit von unseren Herzen entfernt sind. Und eine von den beiden wird gewinnen." Bol sans - Viel Glück.


Lesen Sie morgen: Schriftsteller Kerim Pamuk über Istanbul und Hamburg - was die Städte verbindet, was sie trennt.