Er bezeichnet sich als Amtsrichter “aus Überzeugung und mit Begeisterung“. Jetzt ist Hans-Dietrich Rzadtki an die Spitze des Amtsgerichts Hamburg und damit des zweitgrößten der Bundesrepublik gerückt.
Er bezeichnet sich als Amtsrichter "aus Überzeugung und mit Begeisterung". Jetzt ist Hans-Dietrich Rzadtki an die Spitze des Amtsgerichts Hamburg und damit des zweitgrößten der Bundesrepublik gerückt. "Das ist einer der komplexesten Jobs in der Justiz, den man sich vorstellen kann", sagt der 51-Jährige über seine neue Tätigkeit als Präsident. "Das Amtsgericht ist ein Großunternehmen. Was uns von allen anderen Gerichten unterscheidet, ist die Vielschichtigkeit der Verfahren", betont der Jurist, der seit 1988 in der Hamburger Justiz tätig ist.
Zum Amtsgericht gehören die Bereiche Zivil- und Strafrecht, Familiensachen, Nachlassangelegenheiten, Vormundschaftssachen, Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsverfahren, die Grundbuchämter und das Handelsregister - "ein bunter Strauß mit ganz unterschiedlichen Abläufen". Als Präsident des Amtsgerichts ist Rzadtki Chef von rund 1600 Mitarbeitern, davon etwa 250 Richter. Heute wird Rzadtki, dreifacher Vater und in der Justiz zuletzt als Präsidialrichter und als Direktor des Amtsgerichts St. Georg tätig, offiziell in sein Amt als Präsident eingeführt, gleichzeitig mit Sybille Umlauf, die neue Präsidentin des Landgerichts ist.
Das Amtsgericht sei in den vergangenen Jahren ein "hochmoderner Betrieb geworden", sagt Rzadtki und lobt in diesem Zusammenhang die Arbeit seines Vorgängers Heiko Raabe, der nach neun Jahren als Amtsgerichtspräsident im vergangenen Sommer in den Ruhestand gegangen war. "Noch vor zehn Jahren war das Amtsgericht wie ein Riesentanker, der schwer zu manövrieren war. Heute ist es dezentraler organisiert, technisch im Wesentlichen auf aktuellem Stand und mit hoch motivierten Mitarbeitern besetzt." So liege beispielsweise die durchschnittliche Verfahrensdauer eines Zivilprozesses bei vier Monaten und könne sich damit im bundesdeutschen Vergleich "sehen lassen. Ich will meine Energie daran setzen, die Modernisierung weiter auszubauen." So strebe er an, die Zusammenarbeit noch effizienter zu gestalten und Ablauforganisationen zu straffen. Auch werde der Bereich Mediation gefördert, bei dem streitende Parteien nach oft jahrelangen Auseinandersetzungen ermutigt werden, sich gütlich zu einigen. "Dafür eignen sich unter anderem Familienverfahren und Dauerschuldverhältnisse wie Mietsachen", erklärt Rzadtki. "Wir haben bereits 20 Richter, die die Mediatoren-Ausbildung gemacht haben. Die Möglichkeit, auf diese Weise Rechtsfrieden zu erreichen, muss sich weiter herumsprechen. Wir bereiten Flyer über Mediation vor, zudem werden wir im Sommer eine eigene Mediations-Geschäftsstelle einrichten."
Das Amtsgericht stehe in der Öffentlichkeit oft in dem Ruf, dass dort "alles einfach ist und etwas behäbig, so in etwa wie das Königlich Bayerische Amtsgericht", bedauert Rzadtki. Doch das Gegenteil sei der Fall. Die Tätigkeit des Amtsrichters sei im Vergleich etwa zum Landrichter "nicht einfacher, sondern vollkommen gleichwertig. Die Amtsrichter stehen unter dem Druck, allein und oft sehr schnell entscheiden zu müssen. Amtsrichter haben sehr viel Arbeit zu bewältigen - und das auf hohem Niveau."
So bearbeite ein Richter im Zivilverfahren pro Jahr etwa 700 Sachen, im Strafverfahren jährlich etwa 350 und in Familiensachen rund 380. "Und da sind wenige Sachen dabei, die man einfach so durchwinkt wie beispielsweise eine einvernehmliche Scheidung. Manche Akte begleitet einen Familienrichter in der ersten Instanz über Jahre, wenn zum Beispiel Gutachten eingeholt werden müssen." Da liegt es auf der Hand, dass Gerechtigkeit auch viel Geld kostet. "Justiz gibt es nicht zum Nulltarif", betont Rzadtki. "Wir müssen es so organisieren, dass es ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gibt." Nach dem Abbau von 200 Stellen beim Amtsgericht in den vergangenen 15 Jahren sei das "Ende der Einsparmöglichkeiten erreicht". Damit es keine Engpässe zum Beispiel bei mehreren Krankheitsfällen gebe, müsse auch darüber nachgedacht werden, dass sich Mitarbeiter "über die Bereiche hinweg vertreten, also bei Bedarf etwa Servicemitarbeiter aus dem Zivil- auch im Familienverfahren aushelfen. Dafür sind natürlich Mobilität und entsprechende Schulungen erforderlich", sagt der Amtsgerichts-Präsident. Das Auftreten des früheren Amtsrichters und Ex-Innensenators Ronald Schill bezeichnet Rzadtki als "Tiefpunkt richterlichen Verhaltens. Bei allem Schutz der richterlichen Unabhängigkeit: Ich möchte dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt."