Vor allem Orthopäden leiden unter der Reform. Eine Hamburger Praxis hat bereits die Behandlung eingeschränkt.
Werden auch in Hamburg bald Kassenpatienten abgewiesen oder privat zur Kasse gebeten? Während das in anderen Bundesländern schon geschehen ist (wir berichteten), weist in Hamburg die erste Arztpraxis ihre Patienten darauf hin, dass Termine künftig auf das medizinisch notwenige Maß von drei Kontakten pro Quartal beschränkt würden. "Wenn Sie mehr Kontakte wünschen", heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt, "verweisen wir Sie auf unsere Privatsprechstunde." Diese werde extra in Rechnung gestellt.
Patientin Andrea Preuß (63, Name geändert) ist besorgt und empört. "Ich habe Arthrose und starke Rücken- und Gelenkschmerzen", sagt die Niendorferin. "Es kommt durchaus vor, dass ich öfter als dreimal im Quartal zum Orthopäden gehen muss. Privat könnte ich das von meiner Rente niemals bezahlen."
Die DAK, bei der Andrea Preuß versichert ist, hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) eingeschaltet. "Ich bin überrascht, dass so ein Fall hier auftritt", sagt Egbert Schuhr, Vertragschef der DAK. "Die Ärzte können doch noch gar nicht wissen, was sie am Ende des Quartals erwartet." Kritik kommt auch von der KV. Der stellvertretende Vorsitzende Walter Plassmann: "Ein Arzt, der die Betreuung seiner Patienten einschränkt, verstößt gegen die vertragsärztlichen Verpflichtungen." Tatsächlich sei es aber so, dass die Orthopäden bei der Honorarreform die Verlierer seien.
Was in Hamburg noch ein Einzelfall zu sein scheint, ist in anderen Bundesländern Alltag. So teilte die Kaufmännische Krankenkasse mit, dass es etwa 200 Patientenbeschwerden aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg gebe. "Streiks und Protestaktionen sind nicht nachvollziehbar", sagte Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen. Patienten nur gegen Vorkasse oder mittels Zuzahlungen zu behandeln sei grob rechtswidrig.
In einem offenen Brief an ihre Patienten prangern Hamburger Orthopäden die "Honorarlüge" an: "Die Öffentlichkeit wird leider nicht korrekt über die Vergütungen im Gesundheitswesen informiert." Die ursprünglich 50 Euro pro Quartal und Patient wurden mit der neuen Gebührenordnung vom 1. Januar auf 34,70 Euro gekürzt. Dafür sollen alle Untersuchungen, Beratungen, Chirotherapie, Verbände, Injektionen, Wärme- und Elektrotherapie, Ultraschall und Krankengymnastik geleistet werden. "Wir können so nicht kostendeckend arbeiten", klagt Dr. Marlies H. aus Lokstedt, die die Behandlung bereits eingeschränkt hat. "Bisher haben wir aber noch keinen Patienten abgewiesen", sagt Marlies H.
Dr. Torsten Hemker, Orthopäde in der Innenstadt: "Die Patienten müssen begreifen, dass es jetzt um wichtige Weichenstellungen im Gesundheitssystem geht: Wollen sie reglementierte Staatsmedizin in Zentren oder weiterhin die fachärztliche Versorgung beim Arzt um die Ecke?"
Für den Präsidenten des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, ist das Vorgehen mancher Kassenärzte dagegen unverantwortlich: "Der Streit um die Honorarreform darf nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden."