Die Schülerin aus Boberg hatte ihre Monatskarte vergessen. Der Verkehrsverbund spricht von einem bedauerlichen Vorfall. Die Mutter ist empört über das Verhalten.

Mareike Kühnel wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Sie war fünf Kilometer weit weg von zu Hause und hatte Angst. Die Zehnjährige wurde von einem Kontrolleur aus dem Bus der Linie 12 gebeten und am Straßenrand stehen gelassen - weil sie ihre Jahreskarte zu Hause vergessen hatte. Auch den am Vorfall beteiligten Fahrkartenkontrolleuren scheint ihr Vorgehen im Rückblick unangenehm zu sein. Sie hätten das Mädchen vielleicht nicht allein lassen sollen, sagen sie - jetzt.

Der offenbar gedankenlose Ausrutscher ereignete sich vor gut zwei Wochen am Sonnabendmorgen gegen 10.30 Uhr. Mareike war mit ihrer Sporttasche von ihrem Elternhaus in Boberg losgestiefelt. Sie wollte mit dem 12er-Bus nach Geesthacht fahren, zum Reiten. Das hatte sie vorher schon häufiger so gemacht. Diesmal aber hatte die Schülerin ihr Portemonnaie vergessen. Darin: Die HVV-Jahreskarte. Bemerkt hatte sie das nicht - bis die Kontrolleure kamen. Mareike erzählt: "Da habe ich in meiner Tasche nach der Schüler-Jahreskarte gesucht. Aber mein Portemonnaie war nicht da." Mareikes Sitznachbarin bemerkte die Not der Kleinen. Sie fahre auf ihrer Fahrkarte mit, sagte die Dame den Kontrolleuren. An der nächsten Station stieg Mareikes Sitznachbarin jedoch aus. Die Kontrolleure kamen zurück. Nun habe sie ja wohl keine Karte mehr, sagten sie.

Die Männer baten das Mädchen, mit ihnen auszusteigen. Mareikes Adresse wurde notiert. Die Zehnjährige: "Ich habe schon geweint, weil mir das so peinlich war! Die Männer sind dann in den Bus zurück nach Hamburg gestiegen. Und ich stand da und wusste gar nicht, was ich machen soll." Einen Kontrollbeleg habe sie nicht erhalten, sagt Mareike. Damit hätte sie den nächsten Bus nehmen können.

Nun aber stand Mareike weinend an der B 5. Der Bus war weg, die Kontrolleure auch. Zum Glück, so sagt die Schülerin, habe sie ihr Mobiltelefon dabeigehabt. Zum Glück waren die Eltern noch nicht zum Einkaufen gefahren. Der Papa holte Mareike ab.

Ihre Mutter ist immer noch wütend, wenn sie an den Vorfall denkt. Astrid Kühnel: "Ich habe einen Brief an den HVV geschrieben. Zurück kam der Hinweis, dass es durch die Vielzahl von Kundenhinweisen bei der Beantwortung zu Verzögerungen kommen könne. Kein Wort der Entschuldigung. Das ist doch zu wenig!" Was ihre Tochter ohne Handy gemacht hätte, das mag Astrid Kühnel sich nicht vorstellen. "Dem Kontrolleur war es offenbar egal", sagt sie. "Obwohl ja gerade diverse Fälle dieser Art bekannt geworden sind!"

Beim HVV heißt es, der Vorfall sei bedauerlich. Sprecherin Gisela Becker: "Für die Kontrolleure und den Umgang mit den Fahrgästen sind die jeweiligen Verkehrsbetriebe, in diesem Fall die VHH (Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein) zuständig" Dort sei der Vorgang bekannt. Becker: "Der Kontrolleur sagt, er habe das Mädchen in der Annahme, dass der nächste Bus in zehn Minuten komme, stehen gelassen. Allerdings hätten die Kontrolleure nach dem Vorfall auch selbstkritisch reflektiert, dass sie wohl besser dort geblieben wären, bis das Mädchen abgeholt oder weitergefahren wäre. Ein Brief an die Eltern sei unterwegs. Generell würden die Verkehrsbetriebe ihre Mitarbeiter auch im Umgang mit Kindern schulen, so Becker. Es sei gewiss keine gängige Praxis, Kinder allein an Bushaltestellen stehen zu lassen. Das gilt auch bei der Hamburger Hochbahn. Sprecher Christoph Kreienbaum: "Da gibt es bei uns klare Anweisungen." Mareikes Eltern überlegen noch, ob sie rechtliche Schritte einleiten werden.