Ausbildungsplätze können nicht besetzt werden. Hohe Belastung und niedriges Gehalt machen den Beruf unattraktiv.

Die Situation in der Altenpflege wird immer dramatischer: Bis zum Jahr 2010 werden in Hamburg etwa 450 Fachkräfte fehlen, die pflegebedürftige Senioren stationär und ambulant versorgen. Hauptproblem ist der ausbleibende Nachwuchs. Dennoch lehnt Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) die Forderung der Hamburgischen Pflegegesellschaft HPG nach einer höheren staatlichen Beteiligung an den Ausbildungskosten ab. Denn nicht die Zahl der Ausbildungsplätze sei das Problem, sondern der Mangel an qualifizierten Bewerbern. "Solange es nicht genügend Interessenten für diese Berufsausbildung gibt, ist die Forderung nicht nachvollziehbar", sagt der Senator. "Die vom Staat geschaffenen Voraussetzungen, dem steigenden Personalbedarf in der Pflege gerecht zu werden, sind gut." Es gebe das Angebot, Ausbildungsverbünde zu gründen und dann eine Förderung von 154 Euro pro Monat und Ausbildungsplatz zu erhalten. Zudem würde mit dem Konjunkturpaket II von der Arbeitsagentur eine dreijährige Umschulungszeit finanziert.

Das eigentliche Problem beginnt aber bereits früher: Sogar etablierte Pflegeeinrichtungen wie das "Hospital zum Heiligen Geist" haben große Schwierigkeiten, qualifizierte Auszubildende zu finden. In der Poppenbüttler Einrichtung betreuen 750 Mitarbeiter mehr als 900 Patienten. Die angeschlossene "Altenpflegeschule Alstertal" könnte in drei Jahrgängen insgesamt 150 Pflegefachkräfte ausbilden. Doch 20 Plätze konnten nicht besetzt werden. "Es ist leider so, dass heutzutage viele Schulabgänger die Qualifikationen für eine Ausbildung einfach nicht mitbringen", sagt Schulleiterin Imme Backhaus. "Obwohl wir bereit sind, eine Menge Erziehungsarbeit zu leisten und versuchen, den Jugendlichen Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und einen freundlichen Umgangston beizubringen, werden 20 Prozent der Ausbildungen nach Ablauf der sechsmonatigen Probezeit beendet." Der Job habe viele Facetten und sei sehr spannend - allerdings müssten die Pflegekräfte heute deutlich mehr lernen, weil der Beruf mehr medizinische Kenntnisse erfordere.

Doch vor allem die knapp bemessene Zeit, die für die Pflege der Alten bleibt, und die schlechte Bezahlung schrecken viele Interessenten ab. "Zwar sind durch die Pflegereform im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit 1995 die Leistungszuschüsse leicht erhöht worden", sagt Hospitalchef Martin Kalusche, "doch die Rahmenbedingungen sind noch lange nicht optimal." Eine Schwäche der Reform sei nach wie vor die Vergütung der Pflegekräfte - viele private Anbieter in Hamburg bezahlten untertariflich. Außerdem werde den Einrichtungen durch bestimmte Schlüssel vorgeschrieben, wie viel Personal sie einstellen dürften. "Der Personalschlüssel von 1:25 finanziert eine tägliche Betreuungszeit von insgesamt etwa 60 Minuten für einen Patienten in Pflegestufe eins", sagt Kalusche. Damit seien gerade mal die notwendigsten Pflegetätigkeiten abgedeckt - Zeit für darüber hinausgehende Hinwendung bleibe nicht.

Elfie Wacker (62) kann das aus eigener Erfahrung bestätigen: Sie war 20 Jahre lang in der Altenpflege tätig und musste ihren Job - der eigentlich mal ihr Traumberuf war - wegen der extremen Belastung vorzeitig aufgeben. "Für eine kleine Morgentoilette stehen dem Pflegepersonal etwa 23 Minuten zur Verfügung, die der Pflegedienst mit 9,43 Euro bei der Pflegekasse abrechnet", sagt die Wandsbekerin. "Doch in dieser Zeit einen immobilen oder gar dementen Menschen an- und auszukleiden, zu waschen, ihm die Zähne zu putzen und ihn zu kämmen und später die Pflegeutensilien wieder wegzuräumen, ist kaum machbar." In eineinhalb Stunden habe sie 17,50 Euro verdient.

Doch die Bezahlung ist nicht alles. Der Pflegejob gilt auch sonst als unattraktiv. Daher planen Behörden und Pflegegesellschaften für das Frühjahr eine Imagekampagne. Schließlich sei der Beruf krisensicher, vielfältig und biete zudem gute Aufstiegschancen.

Dass die Kampagne erfolgreich wird, ist dringend nötig. Sonst droht den Hamburgern ein Pflegenotstand. Nach Ansicht von Experten müsste wegen der demografischen Entwicklung im Jahr 2020 jeder vierte Ausbildungsplatz im Pflegebereich liegen.