Sie treffen sich in einem Hinterhof an der Alsterdorfer Straße. Hier steht ihre kleine Kapelle. 75 Gläubige gehören in Hamburg der konservativen Bruderschaft Pius X. an. Aber warum? Was reizt sie an einer Gruppierung, in der ein Holocaust-Leugner das Sagen hat? Ein Besuch.

Sie liegt abseits der Hauptstraße. Durch eine Gitterpforte, vorbei an einem schweren Holzkreuz, führt der Weg von der Alsterdorfer Straße in einen jener typischen Hamburger Hinterhöfe. Hier steht die kleine Kapelle St. Theresia von Avila. Hier, hinter der weiß getünchten Holztür, feiern knapp 75 Gläubige die heilige Messe - nach altem, lateinischen Ritus. Die Luft ist weihrauchgeschwängert, der Priester steht mit dem Rücken zur niederknienden Gemeinde, zu jungen Familien, älteren Paaren und Frauen, die ihre Haare mit Schleiern aus schwarzer Spitze bedeckt haben. Sie alle sind Anhänger der FSSPX, der Bruderschaft St. Pius X. - jener von Erzbischof Marcel Lefebvre 1970 gegründeten traditionalistischen Priestervereinigung, über deren Mitglieder die Mehrheit der katholischen Kirche sagt, sie seien "päpstlicher als der Papst".

Sie liegt abseits der katholischen Hauptstraße, die Pius-Bruderschaft. Mit unerlaubten Bischofsweihen hatte sie einst einen eigenen Pfad eingeschlagen und sich von der römisch-katholischen Hauptkirche abgespalten, die Gruppierung war offiziell nicht anerkannt. "Die Bruderschaft hat jahrelang ein Nischendasein geführt", sagt ein junger Mann nach der Messe. "Für uns hat sich niemand interessiert." Bis jetzt. Denn die Entscheidung von Papst Benedikt XVI., die vier im Jahre 1988 exkommunizierten Bischöfe der konservativen Pius-Bruderschaft wieder in die Kirche aufzunehmen, ist nicht nur innerhalb der katholischen Kirche mehr als umstritten. Insbesondere weil zu diesen zurückgekehrten Söhnen auch Bischof Richard Williamson zählt, ein Holocaust-Leugner.

In der Hamburger Gemeinde distanziert man sich von den Äußerungen des Briten. Gleich am Eingang zur Kapelle liegt, neben Gebetbüchern und Broschüren ("Die Pille - vom Aufgang bis zum Untergang"), die Stellungnahme von Pater Franz Schmidberger, dem Distriktoberen der Bruderschaft, aus: "Die Verharmlosung der Judenmorde des NS-Regimes und dessen Gräueltaten sind für uns inakzeptabel", heißt es darin. Manche Kirchgänger wollen nicht glauben, dass Bischof Williamson das alles so gesagt haben soll: "Ich habe ihn als kantigen, aber sehr bischöflichen Mann persönlich kennengelernt", sagt Kirsten Jacob. "Es schmerzt mich, dass er jetzt so ins Abseits geraten ist." Ein junger Mann wirft ein, dass Williamson in den vergangenen Jahren immer wieder negativ aufgefallen sei, "mit seinen unmenschlichen Äußerungen". Auch Pater Thomas Jatzkowski, der das Hamburger Priorat leitet, treibt das Thema um. "Wir werden in die falsche Ecke gedrängt", sagt er. "Wir sind eine offene Gemeinde, keine Nazi-Bruderschaft." Auch wenn er will, dass "endlich wieder Ruhe einkehrt" und ihm der Medienrummel "kilometerlang zum Hals heraushängt", appelliert er nach der Lesung an seine Gemeinde: "Sie kennen mich, und Sie kennen die Bruderschaft. Sie wissen, dass wir fest auf christlichen Grundlagen stehen."

Genau dies jedoch wird innerhalb der katholischen Kirche stark angezweifelt. Denn die Vereinigung hat sich bisher nicht zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) bekannt, stattdessen immer wieder gegen die Ökumene, die Religionsfreiheit und die Reform der Liturgie polemisiert und sich als einzige Bewahrer der "authentischen katholischen Kirche" dargestellt. Bundesweit haben bereits Hunderte von Katholiken und Theologen aus Protest gegen die Rehabilitation der vier ultrakonservativen Bischöfe eine Petition unterschrieben, in der sie die "uneingeschränkte Anerkennung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils" fordern.

Die katholische Kirchengemeinde St. Antonius (Lattenkamp) von Pfarrer Johannes Pricker liegt nur wenige Hundert Meter von der Kapelle der Pius-Bruderschaft entfernt. "Diese Gruppierung ist umgeben von einer teils nationalistisch geprägten, militant-katholischen Atmosphäre", sagt er. Bischöflich autorisiert sei das Priorat der Bruderschaft nicht. "Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. kann ich nur so erklären, dass man im Vatikan nicht gewusst hat, wer dieser Bischof Williamson ist." Pfarrer Johannes Peter Paul von der Gemeinde St. Bonifatius (Eimsbüttel) spricht von einer "großen Katastrophe": "Man hat den Eindruck, dass mit der Wiederaufnahme der Bischöfe der fünfte Schritt vor dem ersten getan wurde." Die Angelegenheit sei kein kleiner Kirchenstreit: "Das ist längst eine Debatte, die weit über die Grenzen der katholischen Kirche hinausgeht."