Die Mitte-Rechts-Koalition im Hamburger Rathaus hat gewackelt, aber sie ist nicht gefallen. Bei der wichtigsten Abstimmung des Bündnisses seit der Wahl von Ole von Beust zum Ersten Bürgermeister vor knapp zwei Jahren reichte zwar die einfache Mehrheit von 60 zu 57 Stimmen zur Wahl von Dirk Nockemann zum Innensenator. Aber vier Stimmen aus dem Regierungslager fehlten - die eigene, absolute Mehrheit war dahin. Personalwahlen in geheimer Abstimmung sind seit jeher in der Demokratie der Stabilitätstest für Regierungen. Das Ergebnis ist kein Ruhmesblatt für den Ersten Bürgermeister. Es zeigt eben, wie es um die Stimmung im Dreier-Bündnis steht: schlecht - trotz des zur Schau gestellten Zweckoptimismus der letzten Tage. Dabei ist die Motivforschung bei den Abweichlern müßig: Es reicht die Feststellung, dass die Reihen nicht geschlossen sind, wenn es darauf ankommt. Und das, obwohl es an deutlichen Warnungen nicht gefehlt hat. Von Beust hat indirekt sogar sein Amt in die Waagschale geworfen, als er vorher erklärte, die Alternative zur Wahl Nockemanns seien sofortige Neuwahlen. Deshalb ist das Ergebnis ein Menetekel für diesen Senat. Der Handlungsspielraum des Ersten Bürgermeisters dürfte von jetzt an auch aus einem anderen Grund eingeschränkt sein: Er muss bei jeder geheimen Abstimmung befürchten, dass ihm Einzelne die Gefolgschaft aufkündigen. Die Gefahr einer Abstimmungsniederlage ist praktisch eine Überlebens-Versicherung für alle Wackelkandidaten im Senat. Der Handlungsspielraum des Bürgermeisters und der Koalition insgesamt ist noch aus einem zweiten Grund eingeschränkt. Dieser Grund trägt den Namen Ronald Schill, der gestern erklärt hat, Abgeordneter bleiben zu wollen. Weder Ole von Beust noch die Koalition insgesamt und erst recht nicht die Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive haben sich von Schill getrennt. Er ist mitten unter ihnen. Der Auftritt des Ex-Innensenators gestern in der Bürgerschaft hat es bewiesen: Schill hat Macht, er genießt sie - was sollte ihn hindern, sie einzusetzen, wenn ihm danach ist? Auch wenn dies nie ein Koalitionär einräumen wird: Viele zittern buchstäblich vor der nächsten Enthüllung oder dem nächsten Ausraster des Parteigründers. Der Mann taugt nicht zum Hinterbänkler, auch wenn er in der letzten Reihe Platz genommen hat. Schill weiß um seine Rolle: So wirkungsvoll wie gestern hat selten ein Politiker im Parlament geschwiegen. Fazit: Von Beust muss damit leben, dass er auch auf die Stimme des Mannes angewiesen ist, der versucht hat, ihn politisch zu erpressen. Von Beusts berechtigte Empörung über Schills Verhalten, das zu seinem Rauswurf führte, wird wegen dieser Abhängigkeit in engen Grenzen gehalten. Das ist weder politisch noch moralisch überzeugend.