Altenheime: Für teure Residenzen gibt es lange Wartelisten. Gleichzeitig steigt die Zahl älterer Menschen, die Sozialhilfe brauchen.
Ulrich Gaßdorf. St. Georg: 18 Quadratmeter, Linoleum, eine Wanne pro Etage. Ottensen: Elbblick, Dachgartenrestaurant, Schwimmbad und Sauna. Zwei Altenwohnsitze in Hamburg, zwei alte Damen in Hamburg. Wilma Bohnhoff (87) lebt im Alten- und Pflegeheim Heinrich-Sengelmann-Haus, einem 50er-Jahre-Backsteinbau mitten in St. Georg. Ingeborg Schmidtke (77) lebt im Wohnstift Augustinum in bester Elblage. Zwei Beispiele dafür, wie sich das Leben im Alter in Hamburg auseinander entwickelt. Während in noblen Privatunterkünften die Warteliste immer länger wird, steigen gleichzeitig die Ausgaben der Stadt für all diejenigen, die sich selbst ein normales Altenheim kaum mehr leisten können. Von einer "drohenden Katastrophe" spricht Jens Stappenbeck (45), Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft. Denn: Die Ausgaben der Sozialbehörde für Altenpflege steigen drastisch. Seit 1999 um 20 Prozent auf jetzt 83,4 Millionen Euro. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Alten zu. 2002 lebten in Hamburg 299 114 Menschen über 65 Jahre. 2005 werden es 17 536 mehr sein. Im gleichen Zeitraum steigt zudem die Zahl der über 80-Jährigen von jetzt 79 884 auf 82 110. "Wenn die Renten weiter sinken, werden die Ausgaben für die Behörde ins Unermessliche steigen", warnt Stappenbeck. "Dann werden immer mehr Rentner zu Sozialfällen." Heimbewohnerin Wilma Bohnhoff kommt gerade noch mit ihrer Rente hin. Sie hat einen kaputten Rücken, Pflegestufe I, und zahlt monatlich 1020,01 Euro Heimkosten. Die Pflegekassen legen noch mal 1023 Euro drauf. Dafür bekommt die alte Dame ein 18 Quadratmeter großes Zimmer mit WC und Dusche, Frühstücksbüfett, Abendbrot und ein warmes Mittagessen. Freitag ist Fischtag, Sonnabend gibts Eintopf und sonntags zum Nachtisch sogar ein Eis. Nachmittags treffen sich Bewohner zum Mensch-Ärgere-dich-nicht-Spiel oder zur Ratestunde. Einmal im Jahr unternimmt das gesamte Heim einen Ausflug aufs Land. "Darauf freue ich mich jedes Mal ganz besonders", sagt Wilma Bohnhoff. Seniorin Ingeborg Schmidtke, Pflegestufe 0, bezahlt für ihr großzügiges Apartment mit direktem Elbblick im Augustinum 2566,17 Euro. Dafür wird einiges geboten: Mittags kann sie im Dachgartenrestaurant im 12. Stock zwischen drei verschiedenen Menüs wählen und sich am Salatbüfett bedienen. Außerdem steht ihr das hauseigene Schwimmbad zur Verfügung. Die Bewohner können am Nachmittag zwischen Sonatenkonzerten und Lesekreisen wählen. Am Abend wird einmal wöchentlich zum Dämmerschoppen im Clubraum eingeladen. Auf englischen Ledermöbeln gönnt sich die Rentnerin dann im Kreise ihrer Mitbewohner ein gutes Glas Wein. Die alte Dame fühlt sich wohl. "Das Personal ist wunderbar. Sie bestellen Konzertkarten für uns und haben immer Zeit für ein kleines Gespräch." Dafür bleibt im normalen Pflegebetrieb der städtischen und gemeinnützigen Einrichtungen keine Zeit. "Die Pfleger arbeiten im Akkordtempo", sagt Wolfgang Muschter (65), Direktor des Altenheims Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel. Auf eine Kraft kommen sieben bis acht Pflegefälle. 6456 Altenpfleger betreuen in Hamburg rund 41 052 Pflegebedürftige. 15 035 davon leben in Heimen. Doch gerade dort ist das Geld und damit das Personal knapp. Eine repräsentative Erhebung unter 2239 Heimbewohnern ergab: Pro Einrichtung fehlen 16 Pflegekräfte. Das Heim von Wilma Bohnhoff in St. Georg hat 90 Plätze und 21 Pflegekräfte. Im Augustinum sorgen 50 Angestellte für das Wohl der 160 Bewohner. Wenn Wilma Bohnhoff zum Arzt will, muss sie sich ein Taxi nehmen. Ingeborg Schmidtke besucht stattdessen die hauseigene Arztpraxis. Die Warteliste für Augustinum-Anwärter ist lang. "Momentan warten Interessenten vier Jahre auf ein Apartment", sagt Stiftsdirektor Horst Michaelis (46). Dagegen Klaus Hentschel (60), Leiter des Heinrich-Sengelmann-Hauses: "Wir haben 30 Plätze frei." Das aber liege auch daran, dass das Heim neu gebaut werde. Hentschel: "Wir bekommen ein neues Haus, größere Zimmer und einen Wintergarten." Ingeborg Schmidtke und Wilma Bohnhoff genießen ihren Lebensabend im Altenwohnsitz. Und beide sind glücklich - trotz der Unterschiede: "Wir fühlen uns hier zu Hause", sagen sie.