Überweisung: Schills wichtigster Mann erhält jeden Monat rund 4600 Euro von einer Radiologenpraxis.

Der Dauerauftrag lautet auf den Namen Walter Wellinghausen. Die monatliche Überweisung beträgt rund 4600 Euro. Und unter Verwendungszweck steht "Honorar Geschäftsführung". Der Staatsrat der Hamburger Innenbehörde erhält nach Informationen des Abendblatts Zahlungen von der Hamburger Radiologenpraxis Broemel. Der Radiologe Dr. Thomas Broemel (53) tauscht sich nach eigener Aussage regelmäßig mit Wellinghausen über rechtliche Fragen aus. Nach Ansicht von Rechtsexperten könnte es sich bei dem Honorar daher um eine Vergütung für eine nicht genehmigte Nebentätigkeit des Staatsrates handeln. Dies wäre ein doppelter Verstoß, sowohl gegen Berufsrecht der Anwälte als auch gegen das Beamtenrecht. Der Haken: Wellinghausen darf nicht mehr als Anwalt arbeiten, seit er im Dezember 2001 das Amt des Innenstaatsrates angetreten hat - schon gar nicht gegen Honorar. "Wer ein Staatsamt übernommen hat, darf nicht mehr anwaltlich tätig sein", sagte Dag Weyland, einer der renommiertesten Kommentatoren des Berufsrechts für Anwälte und Chef der Anwaltskammer Hamm. Wenn jemand ein Honorar beziehe und regelmäßig über rechtliche Fragen mit dem Zahlenden spreche, "dann liegt es aber auf der Hand, dass es sich um eine anwaltliche Tätigkeit handelt". Abendblatt-Recherchen haben ergeben: Wellinghausen, von Haus aus Rechtsanwalt, hat die Radiologenpraxis Broemel an der Stadthausbrücke seit 1998 rechtlich beraten. Dafür hat er monatlich eine Pauschale von 9000 Mark bezogen (also umgerechnet rund 4600 Euro). Das bestätigte Radiologe Broemel dem Abendblatt. Es habe allerdings niemals einen schriftlichen Vertrag gegeben, und es sei auch nie eine schriftliche Rechnung gestellt worden. Die Pauschale fließt bis heute - auf ein Konto Wellinghausens bei der SEB, bestätigt Broemel. "In Spitzenzeiten sprechen wir zwei, dreimal am Tag, manchmal zwei, dreimal in der Woche, aber manchmal auch wochenlang gar nicht miteinander." Bei den Kontakten gehe es um Verträge, die Wellinghausen vor Jahren für ihn gemacht habe. Zudem hatten Ermittler bei einer Durchsuchung der Praxis wegen Betrugsverdachts Faxe gefunden, die Wellinghausen aus der Innenbehörde an Broemel geschickt hatte. In dieser Sache hat SPD-Fraktionsvize Michael Neumann (33) bereits eine Kleine Anfrage an den Senat gestellt. Neumann vermutet zweierlei: erstens eine unerlaubte Nebentätigkeit, zweitens einen Interessenkonflikt, da der Innenstaatsrat für die Polizei zuständig sei, gleichzeitig aber offenbar die Praxis berate. Wellinghausen wehrt sich gegen die Vorwürfe. Er streitet ab, dass es sich um Rechtsberatung, also um eine Nebentätigkeit handle. Zudem habe er nur "vielleicht . . . durchschnittlich alle sechs Wochen" Kontakt zu Broemel gehabt. Er sei sich allerdings nicht sicher. Er habe als ehemaliger Anwalt die Pflicht, ehemaligen Mandanten und seinem Nachfolger für Rückfragen zur Verfügung zu stehen, um seine frühere Arbeit zu erläutern. Für diese Nachsorge habe er kein Geld erhalten. Dazu Berufsrechtler Weyland: "Der direkte Kontakt zu früheren Mandanten sollte vermieden werden. Fragen, die sich noch ergeben, sollten über die Kanzlei geklärt werden." Es sei "mehr als unglücklich", wenn Amtsträger über Wochen Kontakte mit Ex-Mandanten hätten. Was die monatlichen Zahlungen angeht, so sagt Wellinghausen, dass er die 4600 Euro von Broemel nicht für Rechtsberatung erhalte. Der Innenstaatsrat begründet den Bezug des Betrages damit, dass er noch Ansprüche auf Rest-Honorare aus früheren Tätigkeiten habe. Um sich Einzelabrechnungen mit seinem Nachfolger in der Kanzlei zu ersparen, habe man sich "zur Vereinfachung" auf eine "Entnahme meinerseits in Höhe des Honorars der Praxis Broemel" geeinigt, so Wellinghausen schriftlich zum Abendblatt. Auf die Frage, wie das Honorar versteuert werde, schreibt Wellinghausen, er werde "steuerlich auch noch für den Zeitraum, in dem ich Honoraranteile von meinen ehemaligen Kollegen zu beanspruchen habe, entsprechend meine Einnahmen erklären. Das gilt auch für den Zeitraum ab 2002." Der Staatsrat teilte mit, die Zahlungen der Praxis seien auf ein Konto gegangen, das "nicht meinem privaten Bereich zuzuordnen ist". Auf die Frage, ob es sich um ein Kanzleikonto handle, antwortete er: "Darauf eingehende Zahlungen sind Teil der rechtsanwaltlichen Tätigkeit. Auf dieses Konto besteht auch nach meinem Ausscheiden der Dauerauftrag der Praxis - bis Juni 2003." Der Verwendungszweck "Honorar Geschäftsführung" auf dem Dauerauftrag sei nicht von ihm veranlasst worden. Er sei zu keinem Zeitpunkt Geschäftsführer bei Broemel gewesen. "Nach meiner Kenntnis ist in der Praxis Broemel oder durch deren Bank dieses aufgegeben worden. Eine tatsächliche oder rechtliche Bedeutung hatte dieses nicht, so dass auch kein Anlass bestand, daran Anstoß zu nehmen." Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit nicht gegen Wellinghausen als Beschuldigten in dem Betrugsverfahren - sondern nur gegen die Praxis Broemel. Eine Nebentätigkeit Wellinghausens wäre auch nicht strafrechtlich relevant, sondern disziplinarrechtlich. Sollte die Staatsanwaltschaft auf einen so genannten "disziplinaren Überhang" stoßen, muss sie dies der Senatskanzlei melden. Die könnte ein Disziplinarverfahren gegen den Innenstaatsrat einleiten. Zu der Frage, ob die Polizei bereits den Vorgang rund um den umstrittenen Dauerauftrag der Staatsanwaltschaft oder der Senatskanzlei gemeldet habe, sagte Polizeisprecher Reinhard Fallak (47): "Dazu äußern wir uns nicht." Berufsrechtsexperte Weyland rät zur genauen Überprüfung des Falls. Die Anwaltskammer sollte Auskunft verlangen, so Weyland. Und die Landesregierung müsse prüfen, ob gegen Beamtenrecht verstoßen wurde.